Neue Einblicke in den Soldatenalltag

Fitnesstraining, Ministerbesuch und Stacheldraht: Der Wiener Autor Franz Hammerbacher hat ein neues Buch über seine Auslandseinsätze beim Bundesheer geschrieben. „Naqoura“ gibt launige Einblicke in den Soldatenalltag.

Das titelgebende Camp Naqoura ist das Hauptquartier der UN-Friedensmission im Libanon. Mehr als dreitausend Soldaten versehen hier ihren Dienst - 185 kommen aus Österreich. Die Soldaten sollen durch ihre Anwesenheit gewährleisten, dass vom Südlibanon aus keine Angriffe gegen das benachbarte Israel erfolgen.

In seinem neuen Buch erzählt Hammerbacher nach „Bravo Hotel“ erneut episodenhaft aus dem Leben eines UN-Peacekeepers. Für sechs Monate war er ab Ende November 2012 im Camp Naqoura stationiert. „Fünf Mann treten an die Pissrinne. Einer ruft: ‚Präsen-tiert!‘“. An einer anderen Stelle erfährt man, wie der evangelische Seelsorger die Sympathien der Truppe in einer „Blitzcharmeoffensive“ erobert - und zwar mit dem kürzest möglichen Tischgebet: „Lieber Gott, segne flott!“

„hey hw r u 1st of all really thank u“

Auch auf die Verständigung der Soldaten aus den verschiedenen Ländern geht Hammerbacher ein. Es zeigt sich Erstaunliches, denn es braucht nur wenig, um doch zu wissen, was gemeint ist. „hey hw r u 1st of all really thank u than u send me email coz i expect that u wl nt answer bu2 i was wrong second i was happy by ur email and sbout the match the date the time (...)“, zitiert Hammerbacher aus einem E-Mail eines libanesischen UN-Mitarbeiters anlässlich eines geplanten Fußballspiels.

„Bewegungsraum beträgt etwa zwei Quadratmeter“

Hammerbacher, der bisher fünf Auslandseinsätze in vier „Einsatzräumen“ absolviert hat, gibt auch Einblicke in die Hierarchien und die Wohnsituation im Camp. Er teilt sich mit zwei Kameraden einen Container, den sie mit Vorhängen und einem grünen Poncho in drei Kojen unterteilen.

„Der Bewegungsraum beträgt etwa zwei Quadratmeter pro Mann“. Man hört nachts das Quietschen der Matratze des Kameraden oder das Klicken der Maus von seinem Laptop. Wie es dort riecht, ist laut Hammerbacher von der Tageszeit abhängig. Die Geruchspalette reicht von Eiweißshake, Nudelsuppe oder Chickencurry bis zu Deodorant.

Zum Thema Kameradschaft meint Hammerbacher, dass man 170 Kameraden nicht gleichermaßen mögen könne. „Kameradschaftliches Verhalten ist aber eine Verpflichtung. Es ist auch ein Vertrauen darauf, dass mir der andere nichts Böses anhaben kann. Also zum Beispiel Diebstahl unter Kameraden ist etwas, das absolut geächtet ist. Und es passiert so gut wie nie“, erzählt der Autor.

Franz Hammerbacher - Buch "Naqoura"

ORF

Buchhinweis

Franz Hammerbacher: Naqoura, Edition Korrespondenzen, 154 Seiten, 18 Euro.

Kritische Töne und die Sinnfrage

Stärker als in seinem Erstling „Bravo Hotel“ schlägt Hammerbacher auch kritische Töne an. „Was ich am Beginn meiner sechs Monate als UN-Soldat unterschätzt habe, ist die Frage nach dem Sinn des eigenen Tuns“. Denn im Libanon sei das österreichische Kontingent lediglich „Support und nicht direkt an der Umsetzung des Mandats beteiligt. Die Österreicher stellen hauptsächlich eine Logistikeinheit mit Personenbussen und LKWs, sind also quasi ein bewaffnetes Transportunternehmen“, schreibt der 50-Jährige.

„Man hat einen konkreten Auftrag, aber der Sinn der Mission bleibt hinter dem Vorhang und erschließt sich einem nicht“, sagt Hammerbacher. „Aufgrund des Mandats müsste die UN-Truppe alle bewaffneten Gruppierungen aus dem Gebiet verweisen, was sie aber nur gemeinsam mit der libanesischen Armee darf. Diese tut es aber aus innenpolitischen Gründen nicht“.

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Hammerbacher über das Thema Langeweile im Einsatz

Verteidigungsminister Karabosch zu Besuch

Wer sich von „Naqoura“ einen Erzählband mit klassischen Tagebucheinträgen erwartet, wird enttäuscht. Man merkt Hammerbachers Schreiben den literarischen Anspruch an. Zum Teil sind seine Miniaturen nur zweieinhalb Zeilen lang. Mitunter gibt es Zitate von Thomas Bernhard und Franz Kafka. Die Namen seiner Kameradinnen und Kameraden hat der Autor verfremdet - und dafür etwa auf ein Werk von Georges Perec zurückgegriffen. So heißt es bei der Standeskontrolle dann „Karabambuli - Hier!“. Und auch „Karabibi“, „Karabitch“, „Karajan“ und „Karadingsbums“ sind anwesend.

Aus dem Verteidigungsminister wurde übrigens „Karabosch“. Unter dem Kapitel „befohlene Weihnachtsfeier“ erfährt man, dass die Mehrheit der Mannschaft beim gemeinsamen Billardspiel mit dem Minister mit der Frage beschäftigt ist: „Wann dürfen wir offiziell abhauen?“ Die korrekte Antwort laut Hammerbacher: „Nicht vor Ablauf von zwei Stunden.“

Der Wiener Autor Franz Hammerbacher während eines Auslandseinsatzes beim Österreichischen Bundesheer

Michael Hoffellner

Hammerbacher: „Das, was mich interessiert hat, habe ich kennengelernt“

„Ich bin überhaupt nicht wehmütig deswegen“

Aus der Pressestelle des Österreichischen Bundesheeres heißt es zu dem Buch auf Anfrage: „Es kommt immer darauf an, welche Verwendung und Zuteilung man hat. Es ist auch immer ein individuelles Erleben. Jeder erlebt das anders.“

Der Autor selbst bezeichnet „Naqoura“ als nötige Ergänzung und ein Gegenstück zu „Bravo Hotel“, in dem er von seinen Einsätzen im Kosovo und am Golan erzählt. Dass Hammerbacher mit seinen 50 Jahren und seinem Dienstgrad keinen weiteren Auslandseinsatz mehr absolvieren darf, passt für ihn. „Ich bin überhaupt nicht wehmütig deswegen. Das, was mich interessiert hat, habe ich kennengelernt. Alles hat seine Zeit“.

Hubert Kickinger, wien.ORF.at

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