Bundesregierung für Ludwig „herzlos“

„In manchen Wiener Familien stehen in der Früh nur mehr die Kinder auf.“ Auf drastische Worte von Bundeskanzler Kurz (ÖVP) hat am Samstag Wiens Bürgermeister Michael Ludwig reagiert: Die Regierung verfolge eine „herzlose Politik“.

Von einem „zynischen Herziehen über die Bevölkerung von Wien“ sprach Ludwig im Interview mit „Wien heute“: „Da muss ich mich ausdrücklich zur Wehr setzen.“ Ludwig verwies auf die Rolle Wiens als Wirtschaftsmotor nicht nur für die Ostregion, sondern für das ganze Land. Er werde es nicht zulassen, dass die Wiener Bevölkerung so diskreditiert werde. Die Wiener seien fleißig und müssten sich das nicht gefallen lassen.

Man würde sich eher mehr Unterstützung der Bundesregierung erwarten. Prinzipiell sei aber „spätestens jeder zweite Satz“ von Vertretern der Bundesregierung gegen Wien gerichtet. Diese Kritik sei nicht nur unzutreffend sondern auch ungerecht gegenüber den Menschen.

Bürgermeister Michael Ludwig

ORF

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) spricht von herzloser Politik

Ludwig: „Nur drei Prozent der Bezieher sind Russen“

„In manchen Wiener Familien stehen in der Früh nur mehr die Kinder auf.“ Mit diesen Worten hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vor wenigen Tagen die Stadt Wien attackiert, weil sie die Mindestsicherung nicht kürzen will. Und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) sprach von einem „Förderprogramm für tschetschenische Großfamilien“ - mehr dazu in Mindestsicherung: Kurz und Strache attackieren Wien (news.ORF.at).

Ludwig bezeichnete dies als ein „vorgeschobenes Argument der Bundesregierung“. „Der Anteil der russischen Bevölkerung, und dazu gehören auch die tschetschenischen Familien, ist mit drei Prozent der Mindestsicherungsbezieher äußerst klein“, sagte Ludwig. In Wirklichkeit sei dies ein Anschlag auf Kinder, Pensionisten und Menschen mit Behinderungen, „und das ist der große Teil der Mindestsicherungsbezieher, die es in Wien gibt“.

Mindestsicherung: Ludwig gegen Regierung

Wiens Bürgermeister Ludwig reagiert in Sachen Mindestsicherung auf die Angriffe von Kanzler Kurz und Vizekanzler Strache empört.

Ludwig sieht ein Ablenkungsmanöver, mit dem die Regierung darüber hinwegtäuschen möchte, dass geplante Maßnahmen gegen einen Teil der Wiener Bevölkerung gerichtet sind. Er warf der Regierung „eine herzlose Politik gegen Kinder, Pensionisten und Behinderte“ vor. In dem Entwurf zur Mindestsicherung finde sich eine „starke soziale Kälte“. Er verwies darauf, dass 60 Prozent der Mindestsicherungsbezieher dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen. sei.

Unterstützung für Hackers Standpunkt

Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) und die designierte Grüne Spitzenkandidatin Birgit Hebein hatten dem Plan der Bundesregierung für die Mindestsicherung gleich aus mehreren Gründen eine Abfuhr erteilt - mehr dazu in Wien setzt Mindestsicherung nicht um.

Ludwig fügte dem nun hinzu, er unterstütze den Standpunkt Hackers. Wien sehe sich an der Spitze einer ganzen Reihe von Organisationen und Institutionen, die eine breite Kritik an dem Entwurf geübt haben. Experten der Stadt hätten 17 Punkte identifiziert, die entweder verfassungswidrig oder im Widerspruch zu EU-Recht sein könnten. Zudem habe Hacker 46 Fragen an Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) gerichtet.

Hoffnung auf Einsicht der Regierung

Zur Einschätzung der Regierung, dass die Kompetenz an den Bund übergehen würde, wenn Wien das Gesetz nicht umsetzt, sagte Ludwig, er hoffe, dass es nicht so weit komme. Er hoffe, dass der Druck durch die Kritik in der Begutachtung und aus der Bevölkerung noch zu Änderungen an dem Entwurf führen werde. Er glaube daran, dass die Regierung noch erkennen werde, dass sie den falschen Weg eingeschlagen habe und noch eine verfassungskonforme Lösung, die auch sozial verträglich sei, vorlegen werde.

Ob sich Wien an den Verfassungsgerichtshof wenden werde, konnte Ludwig noch nicht sagen. Dazu müsse man erst den endgültigen Entwurf kennen. Derzeit könne man nicht einmal noch den Konsultationsmechanismus auslösen, weil die finanziellen Belastungen durch die Neuregelungen so schwammig formuliert seien.

Kein Grund zur Vorverlegung der Gemeinderatswahl

Auf die Frage, ob der Wahlkampf in Wien damit schon eröffnet sei, meinte Ludwig, dies sei nicht von Wien erfolgt. Man müsse aber reagieren, wenn man so massiv angegriffen werde. Die Angriffe kämen dabei nicht nur von der FPÖ und deren Bundes- und Landesparteichef Strache, sondern auch von der ÖVP. Trotzdem will der Bürgermeister am regulären Wahltermin im Herbst 2020 festhalten. Für eine Vorverlegung sehe er „keinen Grund“.

Nur wenige Stunden davor hatte Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) im Ö1-„Journal zu Gast“ gemeint, er gehe davon aus, dass es spätestens im nächsten Jahr Wahlen in Wien geben werde. Und er sei optimistisch, dass es nach dieser Wahl einen freiheitlichen Bürgermeister in Wien geben werde - mehr dazu in Hofer spekuliert mit FPÖ-Bürgermeister.

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