Fasten: Mythen und Fakten

Fasten hat in vielen Kulturen und Religionen einen festen Platz, es gibt unterschiedlichste Fastenkuren, und es wird ihnen fast magisch Wirkung nachgesagt. Aber auch wenn viel Unwahres behauptet wird: Fasten kann sehr gesund sein.

Ein weit verbreiteter Mythos: Fasten würde den Körper „entschlacken“, ihn von Gift- und Schadstoffen befreien, die sich angesammelt hätten. Das ist Unsinn, wie der Gastroenterologe Christian Madl, Primar an der Rudolfsstiftung, erklärt: „Aus medizinischer Sicht kennen wir den Begriff des Entschlackens überhaupt nicht. Der Organismus ist so aufgebaut, dass wir generell unsere Stoffwechselprodukte von selbst über die Niere, über die Leber sehr sehr gut regulieren können.“

Fasten Saft

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Körper reguliert sich ganz von selbst

Ebenso ist die angebliche „Übersäuerung“ ist ins Reich der Mythen zu verweisen: „Der Organismus kann den Säure-Basen-Haushalt im Blut in ganz engen Räumen selbst regulieren. Alle Störungen sind schwere Erkrankungen, und wir können mit der Ernährung hier gar nicht eingreifen.“ erklärt Christian Madl. Bei Problemen mit der Magensäure kann zwar Fasten eventuell Besserung bringen, das hat aber nichts mit der behaupteten „Übersäuerung“ zu tun. Und auch beim Thema Darmreinigung im Zuge einer Fastenkur winkt der Gastroenterologe ab. „Das ist nicht nötig, denn der Darminhalt ist physiologisch.“, was so viel heißt wie weder giftig noch belastend.

Dennoch berichten Fastende oft, sich gereinigt zu fühlen. Zum einen kann das spirituell erklärt werden, weil man aus dem Alltag heraustritt, zur Ruhe kommt, auch dem Körper mehr Ruhe gönnt und sich durch den Nahrungsverzicht ganz einfach unbeschwerter fühlt. Zum anderen könnte es einen Zusammenhang auf zellulärer Ebene geben, denn was Fasten tatsächlich verstärkt, ist die Autophagie der Zellen. Damit wird der - permanent stattfindende - Vorgang bezeichnet, in dem Zellen geschädigte Teilchen als Müll entsorgen bzw. in ihre Bestandteile zerlegen und recyceln.

Gesunde Zellen durch Autophagie

Wie diese Autophagie genau funktioniert, wird seit einigen Jahrzehnten weltweit erforscht, in Wien vom Molekularbiologen Sascha Martens. „Das ist ein Reinigungsprozess, der die Zellen gesund hält. Und der wird von manchen Faktoren gebremst und von anderen verstärkt. So lässt die Autophagie mit steigendem Alter nach, durch Fasten wird sie dagegen hochreguliert - aber auch z.B. durch Sport.“ Das Gefühl der Regeneration könnte also mit der intensivierten Regeneration auf zellulärer Ebene zusammenhängen.

Teller leer

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Nächtliches Naschen bremst Wachstumshormon

Was jegliche Form des Fastens aus Sicht des Gastroenterologen, aber auch aus Sicht des Ernährungsmediziners Cem Ekmekcioglu sinnvoll erscheinen lässt, ist ganz simpel die Nahrungsreduktion. Denn: wir essen generell zu viel. „Besonders am Abend wäre es wichtig, wenig oder zumindest nichst kohlenhydratreiches zu essen.“, so Ekmekcioglu. Denn Kohlenhydrate verursachen einen Insulinausstoß, und der wiederum kann die Ausschüttung des Wachstumshormons behindern, das uns ähnlich wie die Autophagie gesund hält.

Wer fastet, um abzunehmen, sollte laut Ernährungscoach Sabine Waltner keine längeren Kuren durchführen. „Weil der Körper sich an solche Fastenphasen gewöhnt. Und sobald man dann wieder mit dem Essen beginnt, beginnt er zu speichern und lässt im wahrsten Sinn des Wortes nichts mehr los, deshalb besser nicht länger als zwei bis drei Tage fasten.“ Sehr ratsam ihrer Erfahrung nach sei dagegen Intervallfasten, auch intermittierendes Fasten genannt.

Tee

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Längere Essenspausen in den Alltag integrieren

Je nach persönlicher Vorliebe kann das bedeuten, einen Tag zu essen und einen zu fasten, jeden Tag zumindest 16 Stunden lang auf Nahrung zu verzichten, oder auch an zwei Tagen pro Woche maximal 500 Kalorien zu sich zu nehmen. „Man weiß aus Studien, dass es dabei zu Gewichtsverlust kommt,“ weiß auch Cem Ekmekcioglu. „Außerdem kann man dadurch den Stoffwechsel verbessern und z.B. die Insulinsensitivität erhöhen.“, eine wirksame Diabetes-Vorbeugung. Waltners Klienten berichten darüberhinaus von vielfältigen positiven Wirkungen:

Sendungshinweis:
Gut gelaunt durch den Tag, Donnerstag, 20.9., ab 9.00 Uhr

„Der Großteil sagt, dass er sich agiler und fitter im Alltag fühlt und die meisten nehmen auch ab. Man kann es aber auch so gestalten, dass man Muskeln aufbaut währenddessen. Intervallfasten ist daher für jeden geeignet, unabhängig davon, ob er abnehmen will oder nicht.“ Und sie hält es auch für eine gute Methode, um eine bestehende Zuckersucht in den Griff zu bekommen.

Denn das scheint inzwischen einhellige Meinung unter Experten zu sein: Zucker zu reduzieren ist immer gut, selbst wenn man das nur während der traditionell-christlichen Fastenwochen beherzigt. Noch besser, weil nachhaltiger, ist natürlich der langfristige Verzicht. Vom Fasten - egal in welcher Form - abzuraten ist im Übrigen Älteren, Kranken und Schwangeren. Bei ihnen ist das Risiko einer zu schlechten Nährstoffversorgung größer als der Nutzen.

Links

Autophagieforschung Uni Wien
Intervallfasten