Ärztekammer fürchtet um Gerichtsmedizin

Die Wiener Ärztekammer schlägt Alarm: Die Gerichtsmedizin in Wien stirbt quasi aus. Am Institut werden schon seit Jahren keine neuen Fachärzte mehr ausgebildet. Die Gründe dafür sind vielschichtig.

An der Wiener Gerichtsmedizin werden ausschließlich die Leichen von strittigen Todesfälle im Auftrag des Gerichts seziert. Das ist die Folge eines Rechnungshofberichts, in dem vor Jahren vorgeschlagen wurde, dass bei Selbstmorden und anderen Todesfällen nur mehr an den Pathologien der Krankenhäuser obduziert werden soll - was dann auch geschah.

„Anschauungsmaterial“ fehlt

Den Gerichtsmedizinern fehlt nun das „Anschauungsmaterial“ für die Ausbildung, da am Beginn der Facharztausbildung sozusagen die Arbeit am „normalen“ Leichnam bzw. am Selbstmordopfer steht.

Der mangelnde Nachwuchs wird spätestens in vier Jahren schlagend. Dann geht einer der vier Sachverständigen, die jährlich an die 140 Leichen obduzieren, in Pension. Der Mehranfall scheint von den restlichen drei Sachverständigen kaum zu bewältigen zu sein. Eine Lücke wird jedenfalls entstehen, denn die Ausbildung zum Facharzt für Gerichtsmedizin dauert sechs Jahre.

Ärtzekammer fürchtet Schlupflöcher

Die Wiener Ärztekammer fürchtet aufgrund der fehlenden Ausbildungsstelle für Gerichtsmedizin „Schlupflöcher hinsichtlich der Erkennung und Aufklärung von Verbrechen“, da die Durchführung aller gerichtsmedizinisch notwendigen Obduktionen in Zukunft fraglich sei.

Der Vorstand der Ärztekammer hat in einer Resolution die zuständigen Ministerien (Wissenschaft, Inneres, Justiz) sowie die Stadt Wien zu Maßnahmen aufgefordert, die eine funktionierende Gerichtsmedizin sicherstellen sollen. Vizepräsident Hermann Leitner forderte einen runden Tisch aller beteiligten Politiker.

Es sei eine Schande, dass es so weit gekommen sei, nur weil sich die beteiligten Stellen nicht einigen könnten, wer nun die finanziellen Mittel für die Etablierung von Ausbildungsstellen zur Verfügung zu stellen habe, so Leitner.

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