Facebook-Initiative für Greißlerin

Sie ist eine lebende Legende: Seit 52 Jahren betreibt Renee Ott trotz großer Konkurrenz einen kleinen Feinkostladen in der Neustiftgasse. Seitdem ein Baugerüst vor ihrem Laden steht, bricht der 86-Jährigen das Geschäft ein.

Unter dem Titel „Wir retten Frau Otts Feinkostladen“ wurde auf Facebook ein Aufruf gestartet, in Renee Otts Feinkostladen einzukaufen. Bisher unterstützen über 6.500 Facebook-Nutzer diese Aktion. Ein „Gefällt mir“-Klick allein hilft Ott allerdings nicht. „Jetzt müssen die Leute auch kommen und einkaufen“, sagte sie bei einem Lokalaugenschein gegenüber wien.ORF.at.

Seit zwei Wochen wird ihr Laden von einem Baugerüst versteckt. Der ohnehin magere Umsatz soll seither um bis zu 30 Prozent eingebrochen sein. Da das Gerüst bis Jahresende bleiben soll, steht ihr Lokal vor dem Aus. „Aber das ist nur einer der Gründe“, erklärt Ott. „Die größte Konkurrenz sind sicher die vielen Supermärkte in der Umgebung. Zu mir kommen die Leute hauptsächlich am Sonntag, wenn sie etwas vergessen haben.“

Renée Ott, Feinkostladen Neustiftgasse

ORF/Florian Kobler

Wurstsemmeln sind der beliebteste Verkaufsartikel in Otts Feinkostladen

Politikerinnen hinter Facebook-Aktion

Hinter der Facebook-Aktion stehen Beate Meinl-Reisinger und Claudia Gamon. Beide sind Spitzenkandidatinnen der Partei der Wiener NEOS. Ihre Hilfsaktion starteten die beiden Stammkundinnen laut eigener Aussage jedoch privat und aus Sympathie heraus.

„Wir kennen Frau Ott, seitdem wir gegenüber in unser Büro eingezogen sind“, so Gamon gegenüber wien.ORF.at. „Außerdem sind wir beeindruckt von ihrer Arbeitsmotivation und wollen, dass sie sich selbst helfen kann.“ Um auf den Laden aufmerksam zu machen, lassen sie zusätzlich zur Facebook-Aktion ein Transparent drucken, das ab kommender Woche am Baugerüst angebracht werden soll.

Feinkostladen in der Neustiftgasse

ORF/Florian Kobler

Baugerüst und Supermarkt-Konkurrenz gefährden den kleinen Feinkostladen

Laden als große Leidenschaft

Ott hat sieben Tage pro Woche von 5.30 Uhr bis 20.00 Uhr geöffnet. An Sonn- und Feiertagen sperrt sie noch eine Stunde früher auf. Tagein, tagaus steht sie alleine im Geschäft. „Wer kann sich heute noch Personal leisten?“, so Ott. „Meine Pension ist ein bisschen klein“, begründet sie ihre Motivation. „Aber andere hätten bei dem Umsatz, den ich mache, schon längst geschlossen.“

Der Laden sei ihre große Leidenschaft. Helfen und Verkaufen bereitet ihr sichtlich Freude. Obwohl viele ihrer langjährigen Stammkunden bereits „weggestorben“ seien, möchte Ott weitermachen. „Dazu brauche ich jedoch neue Kunden.“ Erste Verbesserungen hat die Facebook-Initiative schon gebracht. „Am Sonntag und am Montag hatte ich etwas mehr Geschäft“, freut sich Ott.

Feinkostladen in der Neustiftgasse

ORF/Florian Kobler

Vom Klopapier bis zur Topfengolatsche reicht das Angebot

Persönliches Einkaufserlebnis

„Guten Tag, was darf ich Ihnen verkaufen? Selbstverständlich. Darf es noch was sein? Vielleicht eine Zeitung oder eine Milch?“ Ein Einkauf bei Ott ist ein Erlebnis. Gut gelaunt und vor allem persönlich betreut Ott ihre Kunden. Wenn nicht genug Wechselgeld in der Kasse ist, dann lässt sie den Preis nach. Wer freiwillig mehr bezahlt, bekommt dafür beispielsweise einen Apfel dazu. Ott genießt Kultstatus. Sowohl bei Nachtschwärmern, die sich noch schnell ein Frühstück kaufen, als auch bei den Anrainern gilt sie als „lebende Legende“.

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