Psychiater: Tierquälerei nur Lausbubenstreich?

Warum haben Jugendliche im Lainzer Tiergarten Wildschweine gequält? Der Wiener Psychiater Christian Kienbacher meint, dass der Vorfall auch nur ein „dummer Lausbubenstreich“ gewesen sein könnte. Die Tat müsse aber aufgearbeitet werden.

Für Kienbacher, dem ärztlichen Leiter des Ambulatoriums für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Wien-Floridsdorf sind die Motive hinter Tierquälerei vielschichtig. „Es kann in der Dynamik zu einem überschießenden Verhalten der Jugendlichen gekommen sein. Sie können vielleicht auch selbst traumatisiert worden sein und üben jetzt Gewalt an Tieren aus“, so Kienbacher gegenüber dem ORF.

Tiergarten als „verlockender Ort“

Der Lainzer Tiergarten sei laut Kienbauer vielleicht auch ein Ort, der die Abenteuerlust und Spiellust herausfordert. „Es kann durchaus sein, dass man sich mit Vorschlägen hochgeschaukelt hat und dass man gesagt hat, jetzt probieren wir etwas zu jagen und etwas zu fangen - und womöglich war es von den Jugendlichen in dieser Weise geplant, dass es dazu kommt und das Tier auch ermordet wird“.

Da der Vorfall in der Gruppe stattgefunden hat, nimmt Kienbacher an, dass die Tat eher im Spiel stattgefunden hat und dahinter eher weniger eine sadistische Veranlagung steckt: „Denn dort, wo es im Rahmen einer Einzeltäterschaft passiert, wo es im Verborgenen geschieht, mit hoher Pathologie und hoher sadistischer Qualität, dort ist es eher gefährlich.“

Vergleich mit Struwwelpeter

Zum Vorfall im Lainzer Tiergarten fällt Kienbacher auch das Buch „Struwwelpeter“ des Psychiaters Heinrich Hoffmann aus dem Jahr 1845 ein: „Da gibt es diesen Friedrich, der quält die Tiere, der quält die Fliegen, der quält die Katze, der zerstört Gegenstände, der quält auch seine Gouvernante handgreiflich. Und natürlich, je verbreiteter Aggressivität ist, desto gefährlicher ist natürlich das breite Spektrum von der Sachbeschädigung bis zur Gewalt gegen Menschen.“

TV-Hinweis:
Psychiater Christian Kienbacher war zu Gast im „heute mittag“-Studio. Das Gespräch können Sie in der TVthek nachsehen.

In der Kinder- und Jugendpsychatrie wird jedoch erst von einer psychischen Erkrankung gesprochen, wenn sadistisches, quälendes Verhalten nicht nur punktuell vorkommt, sondern auf Dauer vorhanden ist. „Wenn Pädagogen gewahr werden, dass ein Kind oder ein Jugendlicher in diese Richtung unterwegs ist, braucht es der Kinder- und Jugendpsychatrischen Expertise, um das abzuklären, wie sehr dieser Mensch wirklich in Richtung Sadismus neigt“, so Kienbacher.

Aufarbeitung im Gespräch

Wenn im Gespräch herausgefunden wird, dass der Täter Empathie zeigt, sein Handeln reflektieren kann, ein Schuldgefühl hat und einen Veränderungswillen zeigt, sind das positive Signale. Kienbacher: „Wenn man jedoch sieht, dass ein Mensch dieses sadistisches Potenzial hat, braucht es weiterführend Psychotherapie.“

„Wir wissen zu wenig über die Dynamik, die geherrscht hat. Es könnte ein dummer Lausbubenstreich gewesen sein. Wichtig ist es, mit diesen Burschen zu reden und mit ihnen das aufzuarbeiten und zu schauen, was für ein Potenzial da ist. Und gibt es eine Gefährdung Richtung Sadismus und auch eine Störung des Sozialverhaltens?“

Vier Jugendliche im Alter zwischen elf und 14 Jahren haben am Wochenende Wildschweine mit Steinen beworfen. Ein 13-Jähriger tötete sogar ein Jungtier. Als Motiv haben die Jugendlichen „Langeweile“ angegeben - mehr dazu in Wildschweine gequält: keine U-Haft und Bub strangulierte junges Wildschwein.

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