120.000 Opfer: Viagra-Fälscher angeklagt

Die Staatsanwaltschaft Wien hat gegen sechs mutmaßliche Mitglieder einer Bande von Arzneimittelfälschern Anklage erhoben. Sie sollen mit gefälschten Potenzmitteln mindestens 120.000 Personen betrogen haben, heißt es in der Anklageschrift.

Auf rund 50 Websites - darunter Apotheke-austria.com, Pharmathek-europe.com und Meddirekt.com - wurde den Konsumenten vorgemacht, über Onlineapotheken seien zu besonders günstigen Preisen die Potenzmittel Viagra, Cialis und Levitra erhältlich.

Andere Wirkung als Originalprodukt

Die Nachfrage war enorm. Ab September 2012 wurde der Vertrieb der Produkte, bei denen es sich laut Anklage um „minderwertige Nachahmungen, die weniger und/oder einen anderen Wirkstoff wie angegeben bzw. wie das Originalprodukt enthielten“ von Wien aus abgewickelt.

Organisiert wurde das von einem 37-Jährigen Israeli, den drei Hintermänner angeworben und zum Umzug nach Österreich bewogen haben sollen. Im September 2014 konnte die international tätige Arzneimittelfälscherbande in Wien, Ungarn und Großbritannien im Zuge der „Operation Vigorali“ zumindest teilweise zerschlagen werden - mehr dazu in Tablettenfälscherring aufgeflogen (wien.ORF.at; 1.9.2014).

Ein Teil der sichergestellten gefälschten Arzneimittel und Geldscheine

APA/ BM.I

In Österreich wurden gefälschte 285.000 Tabletten sichergestellt

Gewerbsmäßiger Betrug und Geldwäsche

Neben dem 37-Jährigen wurden sein älterer Bruder, seine Schwester und deren Lebensgefährte zur Anklage gebracht. Auch ein langjähriger Freund sowie ein Bekannter und dessen Bruder sollen in die äußerst lukrativen Geschäfte verwickelt gewesen sein. Dem Sextett wird schwerer gewerbsmäßiger Betrug, Geldwäsche und Vergehen nach dem Arzneimittelgesetz vorgeworfen.

Aufgabe der Angeklagten soll es gewesen sein, die Bestellungen zu bearbeiten, die ihnen von ihren Hintermännern beinahe täglich an eine E-Mail-Adresse übermittelt wurden. Sie „betreuten“ auch vier eigens bei heimischen Geldinstituten eingerichtete Bankkonten, auf welchen die Zahlungen für die vermeintlichen Potenzmittel eingingen.

Ein großer Teil des Geldes wurde in weiterer Folge laut Anklage auf zypriotische Bankkonten verschoben. Die Angeklagten selbst lebten auch nicht schlecht von den illegalen Geschäften. Einer der Haupttäter - der Schwager des 37-Jährigen - hat im Ermittlungsverfahren gestanden, er habe damit monatlich mehr als 9.000 Euro verdient.

Über 120.000 Kuverts für Versand gekauft

Die Ausmaße des Schwindels mit den vermeintlichen Viagra-Pillen veranschaulicht eine Aufstellung jenes Papierhändlers, bei dem die Kriminellen ihre Kuverts zum Versand bezogen. Die Ermittler fanden heraus, dass der Geschäftsmann der Bande insgesamt 121.730 Kuverts verkauft hatte. Im Zuge der Amtshandlung konnten in Österreich noch 18.851 Kuverts sichergestellt werden, in denen sich knapp 285.000 Tabletten befanden.

Berechnungen der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftskriminalität und Korruption (WKStA) zufolge kostete ein Pille durchschnittlich sieben Euro. Pro Kuvert sollen im Durchschnitt 15 Stück verschickt worden sein, womit der einzelne Kunde um mindestens 100 Euro betrogen worden sei. Der Gesamtschaden dürfte damit in die Millionen gehen.

Verdacht wegen falscher Frankierung

Auf den Kuverts hatten die Betrüger übrigens die Adressen real existierender Wiener Apotheken angegeben, um damit bei den Empfängern den Eindruck zu erwecken, alles gehe mit rechten Dingen zu. Weil einige Briefe nicht ausreichend frankiert waren, wurden diese den Apotheken immer wieder zurückgestellt. Eine im dritten Wiener Gemeindebezirk etablierte Apotheke schaltete schließlich die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) und die Polizei ein. So kam man den Viagra-Fälschern auf die Schliche.

Der von Verteidiger Peter Philipp vertretene 37-Jährige hat nach seiner Festnahme ein umfassendes Geständnis abgelegt. Auch seine mitangeklagten Familienmitglieder (Verteidiger: Alexander Philipp) haben sich bisher schuldig bekannt. Nicht geständig waren bis zuletzt die Angeklagten Nummer fünf und Nummer sechs. Die Hauptverhandlung, bei der es um bis zu zehn Jahre Haft geht, findet am 18. Dezember im Wiener Straflandesgericht statt.