Prozess: Über Wiener Moschee nach Syrien

Im Prozess gegen neun mutmaßliche Dschihadisten und einen Schlepper kristallisiert sich die Wiener Altun-Alem-Moschee in der Leopoldstadt zum Ort der Begegnung heraus. Dort verkehrte auch der als Ebu Tejma bekannte Prediger.

Mit der Einvernahme des jüngsten Angeklagten ist am Dienstag im Wiener Landesgericht der Prozess gegen neun mutmaßliche Islamisten und ihren Chauffeur fortgesetzt worden, die sich laut Anklage beim „Islamischen Staat“ (IS) dem bewaffneten Jihad anschließen wollten. Der Bursch war erst 17, als für die Gruppe, mit der er nach Syrien reisen wollte, im vergangenen August die Handschellen klickten.

Auftakt Islamistenprozess

APA/Helmut Fohringer

Straflandesgericht wurde zur Hochsicherheitszone erklärt

Im Dunstkreis der Altun-Alem-Moschee

Seine Absicht sei es gewesen, in Syrien „den einfachen Leuten zu helfen“, berichtete der äußerlich fast noch kindlich wirkende Jugendliche. Sein Vater habe ihm gedroht, dass er ihn zurück zu Verwandten nach Tschetschenien schicken werde, sollte er die Schule nicht schaffen. Weil er überzeugt war, dass er durchfallen würde, habe er seine Eltern verlassen.

Der mittlerweile 18-Jährige war vor acht Jahren mit seiner Familie aus Tschetschenien nach Österreich geflüchtet. Er besuchte eine Schule, lernte rasch Deutsch, schien gut integriert. Dann geriet er allerdings in den Dunstkreis der Altun-Alem-Moschee in Wien-Leopoldstadt, wo eine radikale Form des Islam gepredigt wurde.

Syrien als Pflichterfüllung

An Kampfhandlungen hätte er nicht teilnehmen wollen, versicherte der schmächtige, untergewichtige Jugendliche: „Ich wollte Menschen helfen, Kindern, alten Menschen. Nahrung verteilen, ärztliche Versorgung übernehmen, jede Unterstützung geben.“ Als er via WhatsApp seine Ausreisepläne kundtat, ging alles sehr rasch.

Ein Mitangeklagter, der schon vorher kampfbereite Islamisten Richtung Syrien transportiert hatte, habe ihn angerufen und ein Treffen ausgemacht. Der Chauffeur, der mit dem 18-Jährigen nun die Anklagebank teilt, habe ihn bei der ersten persönlichen Begegnung gefragt, ob er nicht zu jung sei: „Ich habe ihm gesagt, dass es meine Pflicht ist, nach Syrien zu gehen.“

Angeklagte wollte nach Syrien, „wo ich akzeptiert bin“

Der 18-Jährige hatte sich in der Moschee auch mit einem 16-Jährigen angefreundet, der im vergangenen Februar aus dem syrischen Kriegsgebiet zurückkehrte, wo er sich dem IS angeschlossen hatte und auch in Kampfhandlungen verwickelt wurde.

Im Anschluss wurde eine 19-Jährige vernommen, die gemeinsam mit ihrem Ehemann und hochschwanger die Reise nach Syrien antrat. Als Siebenjährige war sie ebenfalls mit ihren Eltern aus Tschetschenien geflüchtet. Im Hinblick darauf wunderte sich der vorsitzende Richter, weshalb sie bei dieser Vergangenheit ausgerechnet in ein Gebiet übersiedeln wollte, wo Terror und Krieg herrschen.

Die Angeklagte machte „Schwierigkeiten“ geltend. Weil sie den Tschador trage, habe sie schon in der Schule Probleme bekommen. Man habe ihr gesagt, dass sie keine Zukunft habe und es „nicht schaffen“ werde. Außerdem sei sie bedroht worden. Nachdem sie Videos über Syrien gesehen habe, habe sie in das Land gehen wollen, „wo ich akzeptiert und willkommen bin“. Sie sei überzeugt gewesen, „dass ich dort eine Wohnung und soziale Unterstützung bekomme“.

19-Jähriger wollte „putzen“

Der um zwei Jahre ältere Mann der 19-Jährigen gab in seiner Einvernahme zu Protokoll, er habe aus „Angst um meine Frau“ Österreich verlassen wollen: „Hier war es mir zu schwierig.“ Seine nach islamischem Recht mit ihm verheiratete Frau sei aufgrund ihrer Verschleierung „Anfeindungen“ ausgesetzt gewesen. In Syrien hätte er keinesfalls kämpfen, sondern sich eine Arbeit suchen wollen, versicherte er. Auf die Frage des Vorsitzenden, welche Tätigkeit er denn im Sinn gehabt habe, erwiderte der 21-Jährige: „Putzen.“

Die Angeklagten, die im Anschluss zu Wort kamen, stellten Syrien als Reiseziel in Abrede. Ein 32-Jähriger Arzt, der in Grosny in einem Krankenhaus gearbeitet hatte, ehe er sich als angeblich politisch Verfolgter 2012 nach Österreich absetzte, behauptete, er habe „nur bis Italien“ fahren wollen. Ihm sei nach „Urlaub am Meer“ gewesen. In Ancona wäre er ausgestiegen: „Dort ist es schön. Ich wollte zum Strand.“ „Ganz allein?“, warf der Richter ein. - „Ich gehe auch allein zur Donau und schwimme allein.“

Ein weiterer mutmaßlicher Islamist beteuerte, er habe ebenfalls in Ancona aussteigen, dann aber eine Fähre nach Griechenland besteigen wollen. Der 27-Jährige machte ebenfalls Urlaubspläne geltend.

Auftakt zum Dschihadistenprozess

APA/Helmut Fohringer

Zusätzliche Polizisten sind an sämtlichen Prozesstagen im Einsatz

Familiär vorbelasteter Angeklagter

Die Türkei als Destination nannte dagegen ein 19-Jähriger, der 2004 aus Tschetschenien nach Österreich gelangt war und sich hier zu einem Musterschüler entwickelt hatte. Er besuchte eine HTL, schloss erfolgreich die zweite Klasse ab, und googelt man seinen Namen, stößt man im Internet auf ein Foto, das ihn als Teilnehmer an einem internationalen Schüleraustausch-Programm zeigt.

Die Mutter des Jugendlichen ist allerdings bereits zwei Mal wegen Terrorismusfinanzierung verurteilt worden. Sie soll laut rechtskräftigem Urteil den tschetschenischen Rebellenführer Doku Umarow finanziell unterstützt haben. Der Chef des selbst proklamierten sogenannten Kaukasus-Emirats kämpfte für eine islamistische Herrschaft im gesamten Kaukasus-Gebiet und galt in Russland bis zu seinem gewaltsamen Tod Anfang 2014 als „Staatsfeind Nummer eins“.

Ermittlungen gegen Mutter wieder aufgenommen

Weil sie ihrem Sohn 4.250 Euro mit auf die Reise nach Syrien gegeben haben soll, die laut Staatsanwaltschaft in den bewaffneten Dschihad gehen sollte, laufen gegen die Frau neuerlich Ermittlungen. Neben Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung steht erneut der Verdacht der Terrorismusfinanzierung im Raum: Dem Abschlussbericht des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) zufolge soll die Mutter ihrem Ältesten die 4.250 Euro zugesteckt haben, „damit dieser das Geld an Mitglieder der terroristischen Organisation Emirat Kaukasus übergebe“.

Der 19-Jährige behauptet demgegenüber, es habe sich bei dem Geldbetrag um Angespartes gehandelt. Er habe nicht nach Syrien, sondern in Istanbul eine befreundete tschetschenische Familie besuchen wollen, die dort im Sommer immer vier Wochen Urlaub mache. Rechtzeitig zu Schulbeginn wäre er nach Österreich zurückgekehrt.

Am ersten Prozesstag am Montag hatten sich sämtliche Angeklagte vom Terror des IS distanziert und sich dabei aber teilweise in widersprüchliche Aussagen verstrickt - mehr dazu in Dschihadistenprozess: IS-Sympathien bestritten. Die Verhandlung wird am kommenden Donnerstag fortgesetzt. Dann sind auch die ersten Zeugen geladen.

Links: