Erste Kassenpraxis mit Video-Dolmetschern

Erstmals gibt es jetzt in einer österreichischen Kassenarztpraxis ein Video-Dolmetschsystem - beim Chirurgen Friedrich Weiser in Wien-Liesing. Patientenanwalt Gerald Bachinger wünscht die flächendeckende Anwendung solcher Systeme.

„Wir Ärzte sind verantwortlich dafür, ein korrektes Aufklärungsgespräch mit dem Patienten zu führen. Der Video-Dolmetsch-Service gibt uns auch die rechtliche Sicherheit“, so Weiser am Dienstag bei einer Pressekonferenz. „15 bis 20 Prozent unserer Patienten haben Migrationshintergrund.“ Bei weitem nicht immer sei bei Sprachproblemen ein Ehepartner vorhanden, um eventuell als Übersetzer auftreten zu können.

Video-Dolmetsch-System

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Weiser hat deshalb den selbst finanzierten Pilotversuch gestartet, für den er auch finanzielle Unterstützung sucht, weil 15 Minuten Übersetzer-Service fast schon die Quartalspauschale des Arztes für einen Patienten (36 Euro) ohne Sonderleistungen auffrisst. Eingesetzt werden soll das System in Weisers Praxis vor allem bei Gastro- und Koloskopien.

Rechtliche Konsequenzen bei Sprachproblemen

Jeder medizinischen Behandlung muss ein zwischen Behandler und Kranken abgeschlossener „Behandlungsvertrag“ zugrunde liegen. Hat der Patient die dafür notwendigen Informationen nicht oder nicht ausreichend verstanden, ist das nicht der Fall. Dann können rechtliche Konsequenzen drohen. Das kann bis zum strafrechtlichen Tatbestand der Körperverletzung durch den Arzt und natürlich auch zu jeder Menge Haftungsproblemen führen.

Maximal zwei Minuten Wartezeit

Das System selbst wurde von der Plattform Patientensicherheit unter Kooperation mit der Universität Wien, dem Gesundheitsministerium, Gesundheit Österreich Gmbh und Fonds Gesundes Österreich initiiert und im Rahmen eines Pilotversuchs getestet.

Video-Dolmetsch-System

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Die Dolmetscher sitzen quasi mit am Tisch

So funktioniert es: Im Ordinationsraum des Arztes ist ein Bildschirm montiert, tippt der Arzt auf einem Menü die erforderliche Sprache an, meldet sich binnen höchstens 120 Sekunden per Videoleitung einer von rund 500 ausgebildeten Dolmetschern der SAVD Videodolmetschen GmbH. Er stellt sich vor, fragt, ob der Patient mit einer Übersetzung des Gesprächs einverstanden ist und dolmetscht dann. Die Datensicherheit ist gewährleistet.

Patientenanwalt will System auch für Krankenhäuser

Der Sprecher der österreichischen Patientenanwälte, Gerald Bachinger, sprach sich vehement für solche Systeme aus: „Kommunikationsprobleme ziehen sich wie ein Roter Faden durch das, was mich täglich beschäftigt. Was Patienten und Behandler oft trennt, ist die gemeinsame deutsche Sprache. Diese Problematik ist noch ungleich schärfer bei Menschen mit Migrationshintergrund.“

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Rund 500 Dolmetscher stehen zur Verfügung

Bachinger kritisierte die bisher nur punktweise Etablierung des Systems im österreichischen Krankenhauswesen: „Das AKH Linz ist flächendeckend dabei, auch das St. Anna-Kinderspital in Wien, SALK (Salzburger Krankenhausgesellschaft; Anm.) und Tilak (Tiroler Krankenhausträger; Anm.) überlegen. In Wien und in Niederösterreich ist das leider derzeit kein Thema.“

16-Jähriger wegen Sprachproblem amputiert

Paradefall bei solchen Problemen war vor einiger Zeit ein englischsprachiger 16-jähriger Tourist, der nach einem Unterschenkelbruch in einem Spital in Niederösterreich offenbar nicht ausreichend mit leidlich Englisch sprechenden Ärzten kommunizieren konnte - mehr dazu in noe.ORF.at.

Der Patient hätte sofort operiert werden müssen, um eine eventuelle Amputation zumeiden. Laut Bachinger schloss der Patient aus einer Formulierung der Ärzte, dass man bereits zur Amputation entschlossen wäre und verweigerte den Eingriff. Als am nächsten Tag, als eine Krankenschwester auf das Missverständnis stieß, war es bereits zu spät.

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