Das Gänsehäufel und die Nichtwähler

Für Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) ist seine fünfte Wahl wohl auch seine schwierigste. Eine der Herausforderungen liegt in der Mobilisierung der Nichtwähler. Auf diese traf wien.ORF.at auch im Wiener Gänsehäufel.

Reportageserie

Wie reden die Wienerinnen und Wiener über Politik und die Wien-Wahl am 11. Oktober? Dazu lesen Sie in den kommenden Tagen Reportagen aus verschiedenen Teilen der Stadt.

„Politik ist mir egal. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt zur Wahl gehe“, sagt eine schwangere Frau, die mit ihrer kleinen Tochter an einem der letzten heißen Tage am Weg zum Schwimmen ist. Die Politiker würden immer nur reden, passieren würde aber nichts, sagt die Frau, die in einigen Monaten ihr drittes Kind erwartet. Von Beruf ist sie Pflegekraft. Ihr Mann gehe zwar zur Wahl, wen er wählt, wisse sie aber nicht. Die gebürtige Donaustädterin wohnt mit ihrer Familie in einer Genossenschaftswohnung. „Die Mieten in Wien sind ein Wahnsinn. Arbeitslos darf von uns niemand werden, sonst müssen wir ausziehen“, sagt die 29-Jährige.

Gänsehäufel

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Eingang zum Gänsehäufel, dem größten städtischen Bad

„Gehe schon seit 15 Jahren nicht mehr wählen“

Vor dem Eingang zum Gänsehäufel sitzt eine Frau mit zwei Kindern. Ihr Partner kommt dazu. Der 47-Jährige geht schon „seit 15 Jahren nicht mehr wählen“, weil „es eh nix hilft“. Der gelernte Koch ist derzeit arbeitslos, denn „mit Vorstrafen nimmt einen keiner“. Wenn es um Arbeitsplätze geht, wäre die Politik gefordert, sagt er.

Der Mann ist mit seiner Einstellung zum Wählen nicht alleine. Knapp ein Drittel der Wienerinnen und Wiener machten vor fünf Jahren von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch, die Wahlbeteiligung bei der Wiener Landtags- und Gemeinderatswahl im Oktober 2010 lag bei 67,63 Prozent.

Gänsehäufel

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„Habe nicht gewusst, dass im Oktober Wahl ist“

Neben dem Eingang verkauft eine Frau Himbeeren, Pfirsiche und Bananen. „Ich habe gar nicht gewusst, dass im Oktober Wahl ist“, sagt die 38-Jährige, die 1976 mit ihren Eltern aus dem damaligen Jugoslawien nach Österreich gekommen ist. Zur Wahl gehen will sie schon. „Wahrscheinlich wähle ich Häupl. Soweit ich in der Zeitung lesen kann ist er für Ausländer“, sagt sie. Vor ihr liegt ein aufgeschlagenes „Heute“.

Im Bad selbst trudeln langsam die Gäste ein. Bis zu 30.000 Personen fasst das Areal. Das Gänsehäufel - das seinen Namen angeblich der Gänsezucht auf den angeschwemmten Haufen in der damals noch unregulierten Donau verdankt - ist das meistbesuchte städtische Freibad Wiens. Dementsprechend bunt gemischt ist auch das Publikum, es reicht vom Arbeitslosen bis zur UNO-Mitarbeiterin.

„So kann es sicher nicht weitergehen“

Eine Postmitarbeiterin sitzt bei den Kabanen und löst auf einem Klapptisch Kreuzworträtsel. Die 56-Jährige arbeitet im Verteilerzentrum Inzersdorf und ist mit der Politik unzufrieden. „So kann es sicher nicht weitergehen. Warum soll man arbeiten gehen, wenn man auch Mindestsicherung bekommen kann?“, fragt die Frau*.

So lange sie noch arbeiten geht, werde sie sich ihre Wohnung leisten können, aber in der Pension werde „es eng“. Bis jetzt habe sie immer dieselbe Partei gewählt, doch dieses Mal wird sie „protestwählen“, sagt sie. Vielleicht die „Raucherpartei“, die sei ihr als Raucherin ganz sympathisch - mehr dazu in WWW kandidiert bei Wiener Wahl.

Gänsehäufel

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„Wer, wenn nicht die Politik?“

Auf der Liegewiese in der Nähe des Wellenbeckens liegen ein Bursch und ein Mädchen. Die Teenagerin weiß noch nicht wen sie wählen wird, „aber die FPÖ gefällt mir gut. Es sind eh schon genug Flüchtlinge da, auch wenn sie mir eh leidtun“. Die 17-Jährige, die mit ihren berufstätigen Eltern in Penzing lebt, geht noch zur Schule und will einmal Sportlehrerin werden.

Ein paar Meter weiter sonnt sich ein 43-jähriger Mann, die Sonnenbrille im Gesicht, am Körper viele Tattoos. „Ich wähle die gleiche Partei wie immer“, sagt der Geschäftsführer eines Fitnesscenters. Welche das ist, will er nicht sagen. „Das immer teurere Wohnen und die Arbeitslosigkeit“ seien Themen, die die Politik „eigentlich angehen“ sollte. „Und wer, wenn nicht die Politik?“, fragt der Ottakringer. Dann setzt er nach: „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“

Hubert Kickinger, wien.ORF.at

*Anspruch auf Mindestsicherung hat in Wien wer als alleinstehende Person oder Alleinerzieher ein geringeres Einkommen als 827,82 Euro pro Monat vorweist, Paare dürfen pro Person nicht mehr als 620,87 Euro pro Monat an Einkommen haben.