Reportage: Blau am Stadtrand

Wien.ORF.at hat sich bei Tankstellen am Stadtrand umgehört: Welche Themen werden diskutiert? Welche Partei dominiert? Die Sorge über Migration und den eigenen Arbeitsplatz ist anscheinend allgegenwärtig - und damit auch die FPÖ.

„Ich bete für Strache“, sagt Inka und faltet demonstrativ ihre Hände. „Na, das brauchst du wirklich nicht machen“, greift sich Josef an die Stirn. „Für keinen Politiker brauchst du beten. Für gar keinen.“ Die beiden diskutieren an einer kleinen Bar in einem Tankstellen-Shop bei der Westeinfahrt über die bevorstehende Wien-Wahl.

Strache in Geldbörse

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FPÖ-Chef Heinz Christian Strache in Inkas privater Geldtasche

Strache im Geldbörsel

Inka ist 58 Jahre alt und kommt aus Serbien. Um Rechtswissenschaft zu studieren, zog sie vor 31 Jahren nach Wien. Aus finanziellen Gründen brach sie das Studium ab und hat seither als Schneiderin, als Verkäuferin oder Kellnerin gearbeitet. Ihre Kinder sind ihr ganzer Stolz, um ihre Kinder hat sie Angst. „Jetzt, wo der Terrorismus vor unserer Tür steht.“

Inka öffnet ihre Geldtasche und zeigt Josef ein paar Fotos. Neben Tochter und Söhnen befindet sich ein Bild von Inkas Lieblingspolitiker Heinz-Christian Strache (FPÖ). „Meine Kinder mögen den nicht so, sie haben in der Schule gehört, dass Strache Populist ist. Aber als wir uns gemeinsam das ORF-Sommergespräch angesehen haben, meinten auch sie, dass Strache Recht hat.“

Für Inka ist Arbeit das wichtigste Thema. „Österreich ist ja ein Land für Leute, die nichts arbeiten wollen. Ich kenne viele, die Notstandshilfe bekommen. Wenn die kein Geld bekommen würden, sondern nur versichert wären, dann wären die schnell wieder gesund.“ Sozialbetrug sieht sie auch bei jenen, die „nur viele Kinder haben wegen des Kindergeldes und damit sie nicht arbeiten müssen.“ Inka wünscht sich einen Mindestnettolohn für Arbeiter und Angestellte in der Höhe von 1.300 Euro. Auch um ihre Pension hat sie Angst. „Viele Pensionisten nehmen im Supermarkt nur die Minus-Fünfzig-Prozent-Artikel, weil sie sich nicht mehr leisten können.“

OMV Tankstelle Auhof

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Wien.ORF.at hörte sich bei drei Tankstellen verschiedener Marken am Stadtrand in der Leopoldstadt, in Penzing und in Favoriten um

Keine Sympathie für Häupl und Merkel

Josef sagt, er gehört nicht zu den „Luxuspensionisten wie der Charly Blecha“. Aber es gehe ihm gut. Der 68-Jährige arbeitete lange Zeit in einem Wiener Krankenhaus als Pfleger und Radiologieassistent. Einmal pro Woche geht er zur Tankstelle und genießt dort ein Bier. Für Wien wünscht er sich eine Veränderung. „Ich würd es dem Häupl vergönnen, wenn der Strache Wiener Bürgermeister wird. Und der Strache soll auch mal seine Chance bekommen - nicht nur reden, sondern dann auch machen.“

Reportageserie

Wie reden die Wienerinnen und Wiener über Politik und die Wien-Wahl am 11. Oktober? Dazu lesen Sie auf wien.ORF.at Reportagen aus verschiedenen Teilen der Stadt.

Strache bekräftigte zuletzt, dass er SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl ablösen wolle. Er sehe bei der Wien-Wahl eine historische Chance. Um eine Rot-Grüne Mehrheit zu verhindern, müsste er die 30-Prozent-Marke „deutlich überspringen in Richtung 40 Prozent“, wie Strache sagt.

Dass es in Wien viele Migranten gibt, führt Josef auf die 60er- und 70er-Jahre zurück. „Die Österreicher wollten damals nicht arbeiten, also sind die Gastarbeiter gekommen und haben die Drecksarbeiten gemacht. Das haben wir jetzt davon.“ Die Flüchtlinge, die derzeit nach Österreich kommen, tun ihm aber leid. Auch wenn er eine Teilschuld bei Deutschland sieht. „Ich mag die Merkel nicht.“

Sorge um Zuwanderung und Schengen

Schauplatzwechsel zu Tankstellen nach Favoriten und in die Leopoldstadt. Sascha, Marco und Franz plaudern neben einem Kaffeeautomaten. Von der Politik sind sie allesamt enttäuscht. Sascha, 28 Jahre alt, Verkäufer, hat bisher immer die FPÖ gewählt. „Aber das hat auch nichts gebracht. Die Sozialisten werden wieder gewinnen, weil sie von den Ausländern wegen der Sozialleistungen gewählt werden.“ Saschas Familie kommt aus Serbien, er selbst ist in Wien geboren. Die aktuelle Zuwanderung mache ihm Sorge. „Wir haben genug eigene Probleme. Die müssen wir zuerst lösen.“

Franz pflichtet ihm bei: „Wir sollten das wie der Viktor Orban in Ungarn machen. Die Flüchtlinge, die jetzt kommen, die waren ja schon in Sicherheit, die haben ja schon was zu essen bekommen, die hatten einen Schlafplatz in den Lagern. Wir sollten das Schengenabkommen einhalten.“ Franz ist 49 Jahre alt und Angestellter. Zu den Wiener Parteien hat er nichts zu sagen, er trinkt aus und geht.

„Alle Politiker sind korrupt“

Auch Marco überlegt, dieses Mal nicht wählen zu gehen. „Alle Politiker sind korrupt und die Wahl ist sowieso manipuliert. FPÖ? SPÖ? Sicher nicht die Grünen. Die wollten ja Drogen legalisieren. Für das bin ich überhaupt nicht. Wenn ich könnte, dann würde ich den Putin wählen.“ Der 25-jährige kommt eigentlich aus Bosnien, ist inzwischen aber österreichischer Staatsbürger.

Er studierte internationale Betriebswirtschaft mit russischem Schwerpunkt. Nach einem Jahr brach er das Studium jedoch ab. Seither arbeitet er parallel als Kellner, Verkäufer in einer Parfümerie und als Baustellenarbeiter. „Ich finde, Politiker sollten weniger und Arbeiter mehr verdienen. Und die Steuern gehören gesenkt.“

Migranten haben Angst vor Jobverlust

Die FPÖ verbreitet derzeit auf 1.300 Flächen und 1.100 Dreiecksständern ihre wichtigsten Botschaften. Viele davon befinden sich neben den Straßen - gut sichtbar für Autofahrer und Tankstellen-Kunden. „Wir grenzen niemanden aus. Schon gar nicht unsere Wiener“, plakatiert die FPÖ. Damit meine man auch “gut integrierte Zuwanderer”, so Strache - mehr dazu in Dreieckständer nicht für alle Parteien (wien.ORF.at; 7.9.2015).

Dazu zählt sich auch Silvia. Sie trinkt bei einer anderen Tankstelle einen Kaffee am Stehtisch. Sie ist 48 Jahre alt und kommt ursprünglich aus Serbien. „Dort war ich Personalmanagerin, in Österreich hab ich dann immer im Verkauf gearbeitet.“

Wählen möchte sie auf jeden Fall gehen. „Wahrscheinlich FPÖ, nein, schreiben Sie ÖVP. Die ist besser für die Familie und den Lohn.“ Silvia hat vor allem Angst um ihren eigenen Job und um ihre Pension. „Ich arbeite für 1.000 Euro im Monat, die Flüchtlinge kommen und bekommen alles – Wohnung, Essen." Im Grunde wünscht sie sich von der Politik nur wenig: Mehr Sicherheit für die eigene Familie, ein besseres Leben - und Ruhe.“

Florian Kobler, wien.ORF.at

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