Missglückter Reizgas-Test: Prozess

Ein missglückter Reizgas-Test in der Justizanstalt Josefstadt ist Thema im Straflandesgericht gewesen. Eine Frau wurde schwer verletzt. Richterin ist Claudia Bandion-Ortner, die damals Justizministerin war. Der Prozess wurde vertagt.

Der Vorfall ereignete sich am 17. Mai 2010, als Bandion-Ortner noch Justizministerin war, und fiel damit in ihre politische Verantwortlichkeit. Für sie ist das kein Problem: „Ich fühle mich nicht befangen deswegen", stellte sie zu Beginn des Verfahrens klar.

Weder der Staatsanwalt noch die Verteidiger und der Rechtsanwalt der pensionierten Krankenschwester, hatten Einwände, sodass die Verhandlung beginnen konnte. Der Prozess wurde am Donnerstag zur Einvernahme von Zeugen dann jedoch vertagt. Der nächste Termin soll Anfang Dezember stattfinden.

Claudia Bandion-Ortner

APA/ Harald Schneider

Fühlt sich nicht befangen: Claudia Bandion-Ortner

Atemwege und Augen verätzt

In Anwesenheit von Vertretern des Justizministeriums und der Justizwache wollte eine oberösterreichische Firma die Wirkung eines Reizgas-Werfers demonstrieren, weil man sich erhoffte, damit einen Auftrag der Justiz an Land zu ziehen. Angeklagt sind ein Mitarbeiter und der Chef der Firma und der deutsche Hersteller des Reizgas-Werfers, denen die Staatsanwaltschaft fahrlässige Körperverletzung und fahrlässige Gemeingefährdung ankreidete.

Die Produktvorführung war völlig danebengegangen. Nachdem ein Mitarbeiter der Firma durch die Speiseluke das CS-Gas in eine Gefängniszelle gesprüht hatte, ging der darin befindliche Justizwachebeamte, der sich als Testperson zur Verfügung gestellt hatte, zu Boden. Er soll - wie in einem schriftlichen Vermerk festgehalten wurde - einen „totalen Atemverlust“ erlitten haben und musste von Kollegen geborgen werden.

Justizanstalt Josefstadt

ORF.at/Patrick Wally

Der Reizgas-Test ging völlig daneben

Noch schlimmer traf es eine Krankenschwester, die von der Übung gar nicht informiert worden war und die am Gang vom entweichenden Gas eingehüllt wurde. Die Frau erlitt Verätzungen der Atemwege und der Augen und leidet bis heute an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Sie kann ihren Beruf nicht mehr ausüben und musste sich vorzeitig pensionieren lassen. Der Gerichtsmediziner Nikolaus Klupp hat in einem Gutachten ihre Verletzungen als schwer eingestuft.

Angeklagte nicht geständig

Der Mitarbeiter der Firma, der den Reizgas-Werfer betätigt hatte, und der Geschäftsführer des deutschen Herstellers - dieses Unternehmen ist mittlerweile in Konkurs gegangen - zeigten sich nicht geständig und wiesen sich wechselseitig die Schuld zu. „Es ist total blöd gelaufen. Es tut mir leid, was mit der Krankenschwester passiert ist“, stellte der 37-jährige Firmenmitarbeiter fest.

Eine entsprechende Ausbildung hatte der 37-Jährige nicht, als er das CS-Gas auf Anweisung seines Chefs in die Zelle sprühte. Er habe „null Bedenken“ gehabt, sagte der Mann, da der Produkthersteller behauptet hätte, der Reizgas-Werfer verteile das Gas immer derart, dass es zu keiner Überdosierung kommen könne. Deswegen habe er auch keinen Sprühkopf verwendet. Nachdem er das Gerät rund vier Sekunden betätigt hatte, habe er „eine überraschend starke Wirkung bemerkt“, sagte der 37-Jährige.

Ärztin äußerte vorab Bedenken

Eine in der Justizanstalt tätige Ärztin hatte allerdings vor der Produktvorführung Bedenken geäußert und vor der Wirkung des CS-Gases gewarnt. Statt darauf einzugehen, kippte man in der Zelle ein Fenster und stellte im Gang vor der Zelle ein Belüftungsgerät auf. Just das wurde der Krankenschwester zum Verhängnis - als sie des Weges kam, blies das Gas dank des Belüfters in ihre Richtung.

Der deutsche Produkthersteller wehrte sich in seiner Einvernahme vehement gegen den Vorwurf, er habe infolge mangelnder Sorgfalt Mitschuld am Geschehen. Der gegenständliche Reizgas-Werfer sei „für Zellen nicht geeignet“, betonte der 56-jährige Geschäftsmann. Dass dies beabsichtigt war, sei ihm nicht bekannt gewesen. Der damalige Chef der Firma, den er mit dem Werfer belieferte, habe ihm gesagt, die Justiz hätte an diesem „für frei stehende Gefängnishöfe Interesse“.

Anwalt der Krankenschwester ortet „Profitgier“

Wolfgang Mekis, der Rechtsvertreter der Krankenschwester, ortete bei beiden Angeklagten „grobe Fahrlässigkeit“. Man müsse den Begriff CS-Gas nur googeln, um sich über die gefährliche Wirkung klar zu werden. „Aus Profitgier hat man sich nicht einmal die Mühe gegeben, den Reizgas-Werfer mit einer Sprühvorrichtung zu versehen. Es war alles egal. Man wollte einfach zu einem Geschäftsabschluss kommen“, meinte Mekis. Ein solcher kam am Ende nicht zustande. Die oberösterreichische Firma wurde vom Justizministerium mit keinem Auftrag bedacht.

Keine Folgen für Justizbeamte

Für die Beamten und die Vollzugsdirektion im Justizministerium hat der Vorfall kein juristisches Nachspiel. Die Vollzugsdirektion bezahlte der schwer verletzten Krankenschwester allerdings Psychotherapiestunden - mehr dazu in Reizgas in Gefängnis: Keine Folgen für Justiz.