Halsstich: Mordprozess wird wiederholt

Kein Urteil hat es am Donnerstag im Prozess gegen einen 34-Jährigen gegeben. Er soll einen Mann niedergestochen haben. Die Berufsrichter verwarfen das Urteil der Geschworenen. Der Prozess muss wiederholt werden.

Der Angeklagte soll in der Nacht auf den 28. April in Wien-Währing den neuen Partner seiner Ex-Freundin im Schlaf angegriffen haben. Mit einem Messerstich in den Hals soll er ihn schwer verletzt haben. Die acht Laienrichter hatten die auf versuchten Mord lautende Anklage mehrheitlich verworfen und auf schwere Körperverletzung erkannt.

Der vorsitzende Richter und dessen Beisitzer akzeptierten dies aber nicht. Die Berufsrichter setzen den Spruch wegen Irrtums der Geschworenen aus. Der Prozess muss damit nach Prüfung durch den Obersten Gerichtshof (OGH) von einem völlig neu zusammengesetzten Schwurgericht wiederholt werden.

Angeklagter sprach von „Reflexhandlung“

Er habe den 53-Jährigen nicht töten wollen, sondern sich vielmehr zu einer „Reflexhandlung“ hinreißen lassen und eine Verletzung beabsichtigt: „Außerdem war der Stich nicht so heftig.“ Dem widersprachen allerdings die Feststellungen der Gerichtsmedizinerin. Die Klinge war dem Nebenbuhler in einer Tiefe von zehn Zentimeter in die linke Halsseite eingedrungen.

„Was machst du in meinem Bett?“, rief der Angreifer laut Anklage, ehe er den Schlafenden attackierte. Über das gekippte, gangseitig ausgerichtete Küchenfenster, das sich von außen recht einfach öffnen ließ, war er in die ebenerdig gelegene Gemeindebau-Wohnung in Währing eingedrungen.

Mit der 29 Jahre alten Frau, der die Wohnung gehört, hatte der 34-Jährige eine Zeit lang eine „sporadische Bekanntschaft mit gelegentlichen Übernachtungen“ unterhalten. Laut Staatsanwältin gingen diese infolge seiner „rasenden Eifersucht“ zu Ende. Dessen ungeachtet habe der Arbeiter „in der Wahnvorstellung gelebt, weiter mit der Frau liiert zu sein“ und diese immer wieder bedroht, sagte die Anklägerin.

Drohung kurz vor der Tat

Rund zweieinhalb Stunden vor der Tat war der 34-Jährige vor der Wohnung aufgetaucht, die er aufgrund eines Betretungsverbots und einer bezirksgerichtlichen einstweiligen Verfügung eigentlich meiden hätte müssen. Durch das Küchenfenster soll er der Frau zugerufen haben: „Ich schwöre bei Allah, dass ich dich und deinen Freund töten werde.“ Die 29-Jährige verständigte die Polizei. Als zwei Beamte erschienen, war der Mann von der Bildfläche verschwunden.

Per SMS stieß er weitere Drohungen aus, ehe er wieder auftauchte. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Frau und ihre zehnjährige Tochter längst im Wohnzimmer schlafen gelegt, während ihr neuer Freund im Schlafzimmer nächtigte.

Der Eindringling, der zunächst unentdeckt blieb, ergriff in der Küche ein Messer, schlich sich ins Schlafzimmer und versetzte dem 53-Jährigen zuerst einen Schlag gegen den Kopf und dann den Halsstich. Danach packte er eine neben dem Bett befindliche Glasflasche, zog diese dem Schwerverletzten über den Kopf und trat ihm am Ende noch ins Gesicht, als der Mann beim Versuch, aus dem Bett zu kommen, zu Sturz kam.

Lebenslange Haft droht

Seine Ex-Freundin wachte durch den Lärm auf und verständigte die Polizei. Der mutmaßliche Täter flüchtete, konnte aber kurze Zeit später verhaftet werden - mehr dazu in Messerangriff auf Freund der Ex: Festnahme (wien.ORF.at; 29.4.2015).

Das 53-jährige Opfer erlitt schwere Stichverletzungen am Hals und ist laut Anklage noch massiv eingeschränkt, da durch die Attacke mehrere Muskeln und Nerven verletzt wurden. Er sei mitten in der Nacht aufgewacht, weil er „es warm gespürt“ habe, beschrieb der 53-Jährige im Zeugenstand die gegen ihn gerichtete Messerattacke: „Dann habe ich gesehen, dass ich voller Blut bin.“ Obwohl der Angreifer, den er im Finstern nicht wahrnehmen konnte, noch mit einer Glasflasche auf ihn einschlug, gelang dem Schwerverletzten die Flucht aus der Wohnung.

Er lief in Panik zu einer nahe gelegenen Polizeiinspektion, von wo er ins AKH gebracht wurde. Neben der zehn Zentimeter tiefen Stichwunde im Hals, die Muskeln und Nerven durchtrennte, erlitt der 53-Jährige einen Jochbeinbruch, eine Bruch der linken Augenhöhlenwand und eine Rippenfraktur.

Gerichtspsychiater sieht Schuldfähigkeit

Der Angeklagte behauptete in seiner Einvernahme, der 53-Jährige sei auf ihn „losgegangen“, als er sich zu diesem ins Schlafzimmer schlich. Da habe er diesem „einen Messerstich versetzt“. „Er wollte nie töten“, versicherte sein Verteidiger den Geschworenen. Sein Mandant sei „doch ein relativ kräftiger Bursche. Wenn er das machen hätte wollen, wäre es ihm ein leichtes gewesen“. Außerdem habe es sich bei der Tatwaffe um ein „wackeliges Küchenmesser“ gehandelt, sagte der Anwalt.

Ein Gerichtspsychiater bescheinigte dem Angeklagten „absolute Schuldfähigkeit“. Der 34-Jährige sei „nicht krank“. Auf die Frage einer Geschworenen, wie dessen Eifersucht zu bewerten sei, meinte der Psychiater: „Eifersucht ist keine psychische Erkrankung. Genau so wie Liebeskummer keine psychische Erkrankung ist.“