Blaulichtfunk: Schuldsprüche nach 13 Jahren

Am Landesgericht Wien ist am Montag der Blaulichtfunk-Prozess mit Schuldsprüchen zu Ende gegangen. Der Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly wurde zu drei Jahren unbedingter Haft verurteilt. Eine Chronologie der Causa.

Juli 2002: Das Innenministerium unter Minister Ernst Strasser (ÖVP) vergibt einen Auftrag für den österreichweiten digitalen Blaulichtfunk Adonis (gemeinsamer Funk der Einsatzkräfte von Polizei, Rettung, Feuerwehr etc.) an das Konsortium Mastertalk (Siemens, Verbund, Wiener Stadtwerke, Raiffeisen Zentralbank). Die Bietergruppe Tetratel (AustroControl/Kapsch/Motorola) und die Telekom Austria (TA) gehen leer aus. An Mastertalk halten Siemens und die Wiener Stadtwerke je 32,45 Prozent. Die Raiffeisen Zentralbank (RZB) hält 25,1 Prozent, der Verbund ist mit zehn Prozent beteiligt.

April 2003: Das Innenministerium droht dem Konsortium Mastertalk mit Auftragsentzug, weil zu wenige Einsatzkräfte mitmachen wollten. Mastertalk weist die Kritik zurück, ein Schlichtungsverfahren wird eingeleitet.

Juni: Das Innenministerium löst den Vertrag mit Mastertalk, Strassers Begründung: Das Projektmanagement sei mangelhaft, es gebe technische Mängel, und die Finanzierung sei nicht sichergestellt. Mastertalk protestiert, die Schuld liege beim Innenministerium. Mastertalk droht mit Schadenersatzforderungen gegen die Republik von über 100 Mio. Euro.

Oktober: Das Innenministerium schreibt Blaulichtfunk neu aus.

Juni 2004: Das Innenministerium unter Strasser vergibt den Blaulichtfunk an ein Konsortium aus Motorola, Alcatel und TA. Das Joint-Venture Tetron zur Umsetzung des Blaulichtfunks wird errichtet.

August: Mastertalk fordert vom Innenministerium 181 Mio. Euro und droht mit einer Klage. Da die Republik nicht zahlt, wird eine Klage beim Handelsgericht eingebracht.

Dezember: Innenminister Strasser tritt überraschend zurück.

September 2006: Mastertalk und Bund einigen sich auf einen Vergleich und vereinbaren Stillschweigen. Die Republik zahlt Mastertalk 29,9 Mio. Euro.

August 2011: TA-Kronzeuge Gernot Schieszler macht eine Zahlung von 1,1 Mio. Euro der TA an den Lobbyisten Mensdorff-Pouilly publik. Dabei soll im Jahr 2008 im Nachhinein eine Zahlung für den Blaulichtfunk in einem Projekt zur Beratung über TA-Akquisitionsmöglichkeiten in Osteuropa (Infotech) versteckt worden sein. Die TA bestätigt die Zahlung, eine Gegenleistung dafür sei nicht ausreichend dokumentiert. Ob die Zahlung mit dem Polizeifunk zusammenhänge, wisse man nicht.

Die Auftragsvergabe des Blaulichtfunks an Alcatel/Motorala/TA könnte mit Strassers Kontakten zu Harald Himmer, Wiener ÖVP-Politiker und Alcatel-Chef, in Zusammenhang stehen, schreibt das Magazin „News“. Strasser, Alcatel und Mensdorff-Pouilly dementieren Schmiergeldzahlungen oder andere Unregelmäßigkeiten.

Das Nachrichtenmagazin „profil“ berichtet von einem Vertrag von Motorola mit Mensdorff-Pouillys verstorbenem „Wahlonkel“ über eine panamaische Briefkastenfirma Valurex. Diese soll 2,6 Mio. Euro Provision für den Blaulichtfunk-Vertrag erhalten haben. Motorola gibt bisher keine Stellungnahme ab. Bei der österreichischen Betreiberfirma Tetron, die für die Verbreitung des Blaulichtfunk-Projekts verantwortlich ist, weiß man nichts von Valurex oder Provisionszahlungen.

30. August: Der Rechnungshof (RH) bestätigt eine Sonderprüfung des Blaulichtfunk-Projekts auf Wunsch von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP).

Juni 2012: Der parlamentarische Korruptions-U-Ausschuss untersucht die Causa und befragt zahlreiche Auskunftspersonen. Mensdorff-Pouilly entschlägt sich der Aussage. Der ebenfalls befragte Fischer bestätigt die Zahlung von 1,1 Mio. Euro an den Lobbyisten, dieser habe sich dafür im Sinne der TA eingesetzt. Ein RH-Mitarbeiter bekräftigt die Kritik des RH an den Millionenzahlungen für Beratungszahlungen rund um die Auftragsvergabe.

März 2013: Der RH kritisiert in einem Bericht eine Reihe von Unregelmäßigkeiten bei der Auftragsvergabe (u. a. informelle Gespräche mit den Anbietern jeweils vor den offiziellen Vergabeschritten) sowie millionenschwere Mehrkosten des Bundes bei der Einbindung der Länder.

März 2014: Die Staatsanwaltschaft Wien erhebt Anklage wegen Verdachts auf Untreue gegen Ex-TA-Vorstand Fischer und gegen Mensdorff-Pouilly.

Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly und Ex-Telekom-Festnetzvorstand Rudolf Fischer

APA/Helmut Fohringer

Der Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly und Ex-TA-Chef Rudolf Fischer

September 2015: Der Blaulicht-Prozess am Wiener Straflandesgericht startet am 11. September mit einer Panne. Geplant ist zum Auftakt eine Videokonferenz zur Zeugeneinvernahme von Ex-Motorola-Österreich-Vorstand Hans-Joachim Wirth in Berlin. Allerdings ist die Verbindung nicht brauchbar.

November: Der Prozess wird nach knapp zwei Monaten Unterbrechung am 8. November fortgesetzt. Auf dem Programm stehen weitere Zeugeneinvernahmen.

Dezember: Im Blaulichtfunk-Prozess am Wiener Straflandesgericht gibt es Schuldsprüche für die beiden Angeklagten. Der Ex-TA-Festnetzvorstand Fischer erhält ein Jahr, der Lobbyist Mensdorff-Pouilly wird zu drei Jahren Haft verurteilt - beide unbedingt. Verteidigung wie Staatsanwaltschaft erbitten sich drei Tage Bedenkzeit, wodurch das Urteil nicht rechtskräftig ist - mehr dazu in news.ORF.at.

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