2.000 Lehrstellen im Vorjahr nicht besetzt

In Wien herrscht ein großer Mangel an Lehrlingen: Rund 2.000 Stellen konnten im vergangenen Jahr nicht besetzt werden, zeigt eine Arbeitskräfte-Bedarfsanalyse der Wirtschaftskammer. Sehr gefragt sind auch Technikerinnen und Techniker.

Um zu eruieren, welche Arbeitskräfte in den kommenden Jahren gesucht werden und wie zufrieden man mit dem aktuellen Arbeitskräfteangebot ist, hat die Wiener Wirtschaftskammer beim Institut Jaksch & Partner eine Analyse unter 1.500 Unternehmen verschiedener Sparten in Auftrag gegeben. Eines der Ergebnisse: Besonders eklatante (Bildungs-)Probleme im Bereich der Lehre.

Mechatronikerin

Wiener Stadwerke / Christian Houdek

16 Prozent der Betriebe brauchen in den nächsten Jahren mehr Lehrlinge als sie heute ausbilden

Knapp ein Fünftel der Unternehmen konnten ihre Lehrstellen im vergangenen Jahr demnach nicht besetzen - hochgerechnet sind das rund 2.000 offene Lehrstellen. Und 16 Prozent der Betriebe würden in den nächsten Jahren sogar mehr Lehrlinge brauchen als sie heute ausbilden. Allerdings sei das Niveau der Bewerber schlechter geworden, kritisierten 69 Prozent der Befragten.

Polytechnische Schulen als „Problemfall“

Überhaupt entlasse das Wiener Bildungssystem zu viele Jugendliche mit gravierenden Problemen bei den Grundtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen, wurde kritisiert. „Was für mich das Schlimme ist: Dass es in unserem Schulsystem nicht darauf ankommt, dass man eine Ausbildung bekommt. Sondern manchmal hat man das Gefühl, dass es nur darum geht, diese neun Pflichtschuljahre einfach zu absolvieren“, so Stefan Ehrlich-Adam, Industrie-Spartenobmann in der Wirtschaftskammer am Mittwoch.

Sogar als „Problemfall“ wird die Ausbildung an polytechnischen Schulen bezeichnet - hier beklagen 69 Prozent der Betriebe ein mangelhaftes bis schlechtes Bildungsniveau der Absolventen. AHS-Absolventen werden laut Kammer nur von wenigen Unternehmen gesucht. Bessere berufliche Aussichten haben HTL-Absolventen. Mittelfristig werde es für diese um sechs Prozent mehr Jobs geben. 19 Prozent der Unternehmen sehen derzeit sogar ein Unterangebot an Absolventen.

15 Prozent mehr Jobs für FH-Absolventen

Gute Jobaussichten haben laut der Bildungsbedarfsanalyse Menschen mit Technik-Affinität: „Die Berufe, bei denen man immer mehr mit Technik, mit Naturwissenschaft zu tun hat, werden immer mehr nachgefragt werden. Wir brauchen nicht mehr Juristen, nicht mehr Wirtschaftsstudenten. Wir brauchen Menschen, die sich in die Naturwissenschaft hineinbegeben“, unterstrich Ehrlich-Adam.

Neben den Wirtschaftswissenschaften und Rechtswissenschaften gibt es laut der Analyse auch zu viele Uni-Absolventen in den Sozialwissenschaften. Gefragt werden vor allem Studierende der Fachrichtungen Ingenieurwissenschaften, Technik, Informatik, Naturwissenschaften, Medizin und Gesundheit. Insgesamt können Uni-Abgänger in Zukunft mit neun Prozent mehr Jobs rechnen.

Rosig scheint die Situation für Fachhochschul-Absolventen. Hier wird eine 15-prozentige Steigerung bei den Stellenangeboten prognostiziert. Was diese Ausbildung für künftige Arbeitgeber so attraktiv macht? Es sind im Vergleich zur Universitätsausbildung die größere Praxisorientierung, die spezielle Ausbildung mit Schwerpunkten und die kurze Studiendauer.

Fünf-Punkte-Plan für bessere Bildung

Um das Bildungsniveau in der Bundeshauptstadt - aus Sicht der Wirtschaftskammer - wieder zu heben, wurde ein Fünf-Punkte-Plan erstellt. Dazu zählen: kein Schulabschluss ohne Mindestbildungsstandards, der Ausbau ganztägiger Schulformen, eine Reform der neunten Schulstufe, Wirtschaftsbildung bereits ab der Volksschule und eine Imagepolitur für Lehre und Facharbeit.

Jeder dritte Arbeitslose kommt aus Wien

Im österreichweiten Vergleich ist der Wiener Arbeitsmarkt derzeit besonders unter Druck, zeigt eine aktuelle Auswertung des Arbeitsmarktservice (AMS). In ganz Österreich lag die Arbeitslosenrate im Vorjahr bei 9,1 Prozent und damit um 0,8 Prozentpunkte höher als im Jahr 2014. In Wien stieg die Quote sogar um 1,9 Prozentpunkte auf 13,5 Prozent. In absoluten Zahlen betrachtet wurden 2015 vom 354.332 Arbeitslose gemeldet. Mehr als jeder Dritte davon, nämlich 124.685, war in Wien registriert - mehr dazu in Jeder dritte Arbeitslose kommt aus Wien.

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