Tödlicher Stich: Sieben Jahre Haft

Nicht wegen des angeklagten Mordes, sondern wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung ist ein 18-Jähriger am Straflandesgericht zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Er hatte seinem Großonkel den tödlichen Stich versetzt.

Vor Gericht bestritt der Beschuldigte jede Tötungsabsicht, war ansonsten aber geständig. „Aus der Emotion heraus“ habe er mit dem Klappmesser zugestochen, aber er habe den 52-Jährigen nicht töten wollen. „Mein Mandant wollte den Tod nicht, daher ist es eine Körperverletzung mit tödlichem Ausgang“, so Rudolf Mayer, Anwalt des Angeklagten, vor dem Prozess gegenüber Radio Wien.

Mit dem Urteil von sieben Jahren Haft folgte die Richterin der Ansicht des Anwalts. Die Verteidigung erbat sich drei Tage Bedenkzeit, der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab, weshalb das Urteil noch nicht rechtskräftig ist.

Anwalt Rudolf Mayer (links)  mit Angeklagtem

APA/Hans Punz

Anwalt Rudolf Mayer (links) plädierte auf Körperverletzung mit tödlichem Ausgang

Langjährige Familienfehde

Die zahlreich erschienene Verwandtschaft des Opfers hatte bereits während der Geschworenenberatung vor dem Saal lautstark mit der Familie des Täters gestritten. Nach dem Schluss der Verhandlung eskalierte die Situation endgültig. Als der 18-Jährige abgeführt wurde, hatten die verstärkt anwesenden Justizwachebeamten alle Mühe, diesen zu beschützen. Die Familie des Opfers trat und spuckte nach diesem, auch die Richterin wurde beschimpft, als sie versuchte, die Tobenden zu beruhigen.

Der 18-Jährige soll am 1. März in der Jägerstraße in Wien-Brigittenau seinem Großonkel mit einem Messer einen Stich ins Herz versetzt haben. Der Schwerverletzte schleppte sich noch auf die nahe gelegene Polizeiinspektion Pappenheimgasse, wo er zusammenbrach und verstarb - mehr dazu in Tödliche Stiche nach jahrelangem Streit (wien.ORF.at; 2.3.2016).

Der Bluttat vorangegangen war eine seit Jahren schwelende Familienfehde. Ein Bruder des späteren Opfers war mit einer Tante des Angeklagten verheiratet. Die Ehe der beiden lief nicht gut, die zwei beteiligten Familien, die ursprünglich aus der Türkei stammen, schoben sich jeweils die Verantwortung dafür zu. Die Auseinandersetzungen arteten in Handgreiflichkeiten aus - so wurde gegen den Vater des Angeklagten ein Verfahren wegen Körperverletzung vor einem Bezirksgericht geführt.

Angeklagter in Prozess nach Mord an Großonkel

APA/Hans Punz

Der Angeklagte stellte sich kurz nach der Tat

Angeklagter: Ständige Beschimpfungen

„Ich weiß nicht, wie ich in diesen Familienstreit hineingezogen wurde, aber mein Großonkel hat mich jahrelang beschimpft“, sagte der 18-Jährige am Dienstag im Prozess aus. Allerdings habe ihn der 52-Jährige in den vergangenen drei Jahren etwa einmal pro Woche auf der Straße getroffen und dabei ständig beschimpft. „Ich hab mir gedacht, er ist der Ältere und habe nichts gesagt“, beteuerte der Angeklagte.

Am 1. März habe er zum Rauchen die elterliche Wohnung verlassen, mit dem Handy gespielt und sei rein zufällig direkt vor der Haustür des 52-Jährigen gelandet. „Als ich aufgesehen habe, stand er schon da.“ Dieser habe ihn wieder beschimpft und angekündigt, er werde die Familie des jungen Mannes „auslöschen“. Bei der folgenden Rangelei habe er aus Angst und Wut sein Springmesser gezückt und zugestochen. „Da hat er kurz aufgeschrien, ein wenig gewackelt und an der Gegensprechanlage geläutet. Ich habe geglaubt, es ist nicht so schlimm und bin weggerannt.“

Das Opfer hatte jedoch einen Stich direkt ins Herz erhalten. Er sagte seiner Frau über die Gegensprechanlage, dass ihn der Sohn seines Widersachers gestochen habe und machte sich auf deren Rat auf den Weg zur 100 Meter entfernten Polizeistation, wo er zusammenbrach. Im Krankenhaus konnten die Ärzte das Leben des Familienvaters trotz zehn Blutkonserven nicht mehr retten.

Prozess wegen Mordes an Großonkel

Der 18-Jährige musste sich nach einem tödlichen Stich gegen seinen Großonkel vor Gericht verantworten.

18-Jähriger stellte sich kurz nach der Tat

Der Täter hatte sich danach mit einem engen Freund getroffen, der ihm riet, sich zu stellen, als sich herumgesprochen hatte, dass der 52-Jährige gestorben war. Zur Polizei nahm er auch die Tatwaffe mit 9,5 Zentimeter Klingenlänge mit.

Auf Antrag der Privatbeteiligtenvertreterin wurde ein Sohn des Opfers befragt, der sich am Tag nach der Tat mit dem Freund des Angeklagten getroffen hatte. Dieser habe erzählt, dass sein Vater den Täter nicht beschimpft habe und der junge Mann „absichtlich“ zugestochen habe. Der Vertraute des 18-Jährigen wollte vor Gericht davon nichts wissen: Er habe das Gespräch mit dem Sohn aus „Angst vor Blutrache“ gesucht und diesem lediglich versichert, dass er nichts damit zu tun habe und der Vater ein „Opfer“ sei.