Mit Fäusten gegen Radikalisierung
Politikwissenschafter Alexander Karakas hat die Initiative „Not in God’s Name“ nach den Anschlägen auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ 2015 gegründet. „Wir arbeiten hier mit Testimonials und Rolemodels, also Vorbildern für die jeweilige Community, die aus der Community kommen“, so Karakas im „Wien heute“-Interview. Die Botschaft, den IS abzulehnen, komme also „aus den eigenen Reihen“ und sei dementsprechend wirksamer, ist er überzeugt.
Denn Kampagnen österreichischer Politiker erreichen diese Jugendlichen eher nicht, so Karakas. „Die Jungs hören auf uns“, sagen die Kampfsportler selbst - zum Beispiel Karim Mabrouk, Österreicher mit ägyptischen Wurzeln und Thai-Boxer. Er trainiert schon Kinder, um einer möglichen Radikalisierung vorzubeugen. Das hilft später gegen Rekrutierer, ist Karakas überzeugt.
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Respektvolles Miteinander der Religionen
Das Gemeinsame und der Respekt vor dem Partner lässt Kampfsport nicht nur deradikalisierend, sondern auch integrativ wirken, so Karakas. Das fängt schon bei Kindern an, beobachtet der ehemalige EU-Meister im Boxen, Marcos Nader, in seinem Club in Ottakring: Dort trainieren Muslime, Christen und Juden nebeneinander. „Das ist das Schöne: Bei uns kämpfen sie miteinander und spielen gemeinsam. Gerade beim Kindertraining machen wir auch sehr viele Spiele. Das ist eine wunderschöne Sache, wenn man das sieht.“
Sendungshinweis
„Wien heute“, 1. August, 19 Uhr, ORF 2, danach in der ORF TVthek
Jugendliche mit unterschiedlichem sozialen und religiösen Hintergrund zusammenzubringen, ist die Grundidee von „Not in God’s Name“. Murtja Al-Sabti wollte vor Kurzem in den Irak gehen, um zu kämpfen - gegen den IS-Terror. Jetzt hat er es sich doch anders überlegt: „Ich habe mir gedacht, ich kann auch hier den IS bekämpfen - und zwar mit dem Mund. Also indem ich andere Jugendliche überrede, doch nicht in den Krieg zu ziehen.“
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Lokaltouren gegen Radikalisierungstendenzen
Deshalb begleitet er Alexander Karakas und Kampfsport-Champion Foad Sadeghi einmal die Woche abends auch auf eine Tour durch Lokale, um dort Jugendliche durch Gespräche zu erreichen und ihnen von ihrem Kampf gegen Radikalisierung per Kampfsport zu erzählen. „Sobald man hier ist, wird jeder Bruder genannt. Sobald man hier durch die Türe geht spielt Religion oder Herkunft keine Rolle mehr“, sagt Murtja Al-Sabti über das Kampfsportcenter „Tosan“.
Weil das Kampfsportprojekt in der Leopoldstadt so gut läuft - auch in Belgien hat man es inzwischen vorgestellt -, möchte Karakas es künftig auch ausweiten. Er könnte sich zum Beispiel vorstellen, Präventionsarbeit in Gefängnissen, die als besonders guter Nährboden für extremistisches Gedankengut gelten, zu leisten oder auch schon Radikalisierte in den Gefängnissen zu betreuen. Konzepte in den Schubladen des Vereins gibt es genug, derzeit gibt es erste Gespräche mit Vertretern des Justizministeriums.
Links:
- Polizei: Kontaktbeamte in Flüchtlingsquartieren (wien.ORF.at)
- Dschihadismus: Radikalisierung hinter Gittern (wien.ORF.at)
- Deradikalisierung an Wiener Schulen (wien.ORF.at)
- Kampfsportcenter Tosan