Alte Donau: Der Tanz um die „Makrophyten“

Heuer wachsen sie besonders üppig - die Wasserpflanzen in der Alten Donau. Die Stadt spricht häufig von „Makrophyten“. Der Begriff ist zwar missverständlich, aber grundsätzlich biologisch korrekt und klingt zudem noch „klüger“.

Der Begriff „Makrophyten“ ist alt-griechisch für große Pflanzen oder mit freiem Auge sichtbare Pflanzen. Das Gegenteil davon sind Mikrophyten, also mikroskopisch kleine Pflanzen - doch ganz so einfach ist es nicht. Wer glaubt, Eichen, Tannen und Gänseblümchen seien ebenfalls Makrophyten, der irrt. Es gibt einen guten Grund, warum die Stadt auf den Begriff „Makrophyten“ beharrt, anstatt die Gewächse, die die Alte Donau heuer in einen Ausnahmezustand versetzen, einfach Wasserpflanzen zu nennen.

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Unterwasserpflanzen und Algen wuchern in der Alten Donau

Algen gelten in der Botanik nicht als Pflanzen

Ganz einfach ist dieser Grund allerdings nicht zu benennen: Fremdwörter wie „Makrophyten“ haben unterschiedliche Funktionen. Eine ihrer Aufgaben ist es, sprachliche Lücken zu füllen, erklärte Hans Christian Luschützky vom sprachwissenschaftlichen Institut der Uni Wien. Denn für bestimmte Dinge oder Gruppen gibt es in der Umgangssprache einfach keine Begriffe. Möchte man auf komplizierte Umschreibungen oder langwierige Aufzählungen verzichten, bleibt einem nichts anderes übrig, als auf ein Fremdwort zurückzugreifen - wie im Fall der „Makrophyten“.

In der Wissenschaft, insbesondere der Biologie, steht man häufig vor diesem Problem. Neben Makrophyten und Mikrophyten gibt es noch eine dritte Gruppe von Pflanzen - nämlich Pflanzen, die gar keine Pflanzen sind. Als Pflanzen gelten nur jene Gewächse, die mit den Landpflanzen - den Eichen, Tannen und Gänseblümchen - artverwandt sind. Von den Algengewächsen ist nur die Grünalge mit den Landpflanzen verwandt. Alle anderen Algen gelten somit nach wissenschaftlichem Maßstab nicht als Pflanzen.

Fremdwort als „elegantere und sauberere Variante“

Man brauchte in der Botanik also einen Überbegriff für höhere Unterwasserpflanzen wie Seerosen und Moose sowie mit freiem Auge sichtbare Algen. In den 60er-Jahren einigte man sich auf den Begriff Makrophyten, obwohl er etwas missverständlich ist, weil er genau übersetzt etwas anderes bedeutet, sagt Luise Ehrendorfer, vom botanischen Institut der Uni Wien. Möchte die Stadt also das Problem beim korrekten Namen nennen, kann sie entweder „höhere Unterwasserpflanzen und Algen, die mit freiem Auge sichtbar sind“ oder einfach „Makrophyten“ sagen.

„Fremdwörter dienen der sprachlichen Ökonomie“, fasst Luschützky die den Sachverhalt zusammen. Sie haben aber auch den Nebeneffekt, den Sprecher klüger klingen zu lassen und unangenehme Details - wie das Vorkommen von schleimigen Algen etwa - mit einem eleganteren, sauber klingenden Wort zu verschleiern, gibt der Sprachwissenschaftler zu.

Unterwasser mähen

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1.300 Tonnen Mähgut wurde im Vorjahr angehäuft

Makrophyten wurden als Nützlinge angesiedelt

Makrophyten sorgen für gute Wasserqualität, weil sie Schadstoffe filtern und das Wasser mit Sauerstoff anreichern. Im Gegensatz dazu können mikroskopisch kleinen Algen zu einer Trübung des Wassers führen und andere Lebensformen gefährden, erklärt Martin Jank vom Wiener Gewässer Management. Er erinnert an die 90er-Jahre, als eine Massenentwicklung von fädischen Blaualgen zum Zusammenbruch des ökologischen Gleichgewichts in der Alten Donau führte. Daher wurden später Makrophyten angesiedelt.

Doch auch nützliche Gewächse können zur Plage werden, wenn sie zu zahlreich wachsen. In diesem Jahr wuchern aufgrund des Klimawandels die Makrophyten so sehr, dass die Mähboote des Wiener Gewässermanagements bis zu 70 Tonnen Pflanzenmaterial pro Woche aus der Alten Donau fischen, etwa doppelt so viel wie im Vorjahr. Diese Menge hindert Schwimmer sowie Boote daran, die Alte Donau sinnvoll zu nutzen und bereitet der Stadt Wien Zusehens Verdruss - mehr dazu in Kein Durchkommen: Alte Donau wächst zu.

Mähboote alte Donau - wie gehts weiter?

An der alten Donau gibt es eine Rekordernte an Makrophyten. Die Mähboote können der Plage aber kaum Herr werden.

Drei Mähboote sind jeden Tag, außer Sonntag auf der Alten Donau im Dauereinsatz. Die Kosten beliefen sich im Vorjahr auf eine Million Euro. Dieses Jahr sollen sie drastisch ansteigen. Derzeit testet man verschiedene Methoden, um gegen die rasche Ausbreitung der Makrophyten vorzugehen. Hoffnung setzt man etwa in einen neuen Bodenfilter. Auch das komplette Abmähen der Makrophyten könnte helfen. Das ist allerdings sehr aufwendig und kann nur von ausgebildeten Tauchern durchgeführt werden - mehr dazu in EU-Prototyp für Wasserqualität.

Theresa Loibl, wien.ORF.at

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