Prozess um Mordversuch: Urteil ausgesetzt

Der Schwurprozess gegen einen 61-Jährigen, der seine Ehefrau niedergestochen hatte, muss wiederholt werden. Die drei Berufsrichter setzten das Urteil aus, nachdem die Laienrichter den Mann vom Mordversuch freigesprochen hatten.

Die Geschworenen verwarfen den angeklagten Mordversuch und plädierten mit 8:0 Stimmen auf absichtliche schwere Körperverletzung. Der Senat unter Vorsitz von Richterin Eva Brandstetter kippte allerdings diese Entscheidung wegen Irrtums der Geschworenen. Nun muss die Verhandlung nach einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof (OGH) von einem anderen, zur Gänze neu zusammengesetzten Gericht wiederholt werden.

Vor Augen der Tochter zugestochen

Der Hilfsarbeiter hatte seine Gattin im Beisein der vierjährigen Tochter niedergestochen. Trotz ihrer schweren Verletzungen nahm die Frau ihre Tochter und flüchtete durch das Fenster. Passanten, die auf die Schreie aufmerksam wurden, kamen den Flüchtenden zu Hilfe. Der 61-Jährige fügte sich daraufhin in suizidaler Absicht selbst drei Stichverletzungen in den Bauch zu. Er wurde blutüberströmt von der Polizei entdeckt - mehr dazu in Ehestreit: Mann stach auf sich selbst ein.

Prozess Mord

APA/HERBERT PFARRHOFER

Der Angeklagte im Großen Schwurgerichtssaal

„Ich hab gesagt, ich will nicht mehr leben“, sagte er beim Prozess zur Vorsitzenden des Schwurgerichts, Eva Brandstetter. An den Angriff auf seine Frau konnte sich der Angeklagte, der von Rudolf Mayer verteidigt wurde, nicht mehr erinnern. „Ich hab mich in dem Moment selbst verloren. Ich wollte das nicht. Ich hab das Messer genommen, und mehr weiß ich nicht mehr.“

Achtmal zugestochen

Laut Aussage der Frau soll ihr Mann immer wieder handgreiflich geworden sein. Er schlief auch mit einem Messer unter dem Kopfpolster. Am 8. April bedrohte er seine Frau erstmals mit einem Küchenmesser, führte die Staatsanwältin aus. Zwei Tage später eskalierte die Situation, als die Frau den Mann verdächtigte, ihr zehn Euro aus der Tasche gestohlen zu haben.

Er lief ihr laut Staatsanwältin mit dem Messer nach und rief: „Komm her, da ist das Geld!“ Achtmal hatte der Mann der jungen Frau in die Brust gestochen, stellte die Gerichtsmedizinerin Elisabeth Friedrich fest. Dabei wurden Leber, Lunge und der Herzbeutel lebensgefährlich verletzt.

Partnerin in der Türkei kennengelernt

Der gebürtige Türke war 1990 mitsamt seiner Familie nach Österreich gekommen, um sich hier ein besseres Leben aufzubauen. Der Mann, der nie eine Schule besucht hatte, sich aber selbst Lesen und Schreiben beigebracht hatte, arbeitete auf dem Bau, um seine Frau und seine sieben Kinder zu versorgen.

2012 starb seine Frau, mit der er fast 40 Jahre verheiratet war. Da die Kinder bereits aus dem Haus waren und er nicht allein bleiben wollte, reiste der Witwer nur einen Monat nach dem Tod seiner Ehefrau in die Türkei, um eine neue Partnerin zu suchen.

Streitereien wegen Geldes und Eifersucht

Alsbald ehelichte er die weitaus jüngere Frau, die sich alleine um ihre Tochter kümmern musste, und nahm sie mit nach Wien. Laut Staatsanwaltschaft handelte es sich um eine „Vernunftehe“. In den ersten Monaten verstand sich das Paar gut, Mann kümmerte sich auch liebevoll um seine Stieftochter.

Doch als er aufgrund seines Alters den Job verlor, kam es immer wieder zu Streitereien wegen Geldes und auch aufgrund von Eifersucht. Der Beschuldigte verdächtigte seine Frau, ein Verhältnis mit einem „etwa 40 bis 45 Jahre alten Bosnier aus der Nachbarschaft“ zu haben.