Mafia-Prozess: „Sie wollten jeden erpressen“

Im Prozess gegen eine mutmaßlich mafiöse Bande, die unter anderem Schutzgelderpressungen begangen haben soll, hat am Dienstag der Hauptzeuge ausgesagt: „Ich weiß, dass sie jedes Lokal auf der Ottakringer Straße erpressen wollten.“

Der 38-jährige Serbe wurde von der Justizwache und schwer bewaffneten, vermummten Cobra-Beamten in den Verhandlungssaal gebracht. Er selber trug eine schusssichere Weste, zumal das Bundeskriminalamt von Gerüchten Wind bekommen hatte, denen zufolge jemand im Gerichtssaal eine Waffe ziehen und den Zeugen „erledigen“ wolle. Insgesamt befand sich ein Großaufgebot an Sicherheitskräften im Saal 203, das sich aus Cobra-, Wega- und Justizwachebeamten zusammensetzte.

Strenge Vorkehrungen vor Mafia-Prozess

Die Sicherheitsvorkehrungen sind enorm. Der Kronzeuge trug unter anderem eine schußsichere Weste, weil er zuvor mit dem Tod bedroht wurde.

Der Mann hatte die insgesamt sieben Angeklagten rund um den angeblichen Bandenboss D. alias „Edo“ im Ermittlungsverfahren massiv belastet. Er hatte ursprünglich in einem Lokal gearbeitet, das die Gruppierung erpresst haben soll, wechselte dann die Seiten und war für „Edo“ tätig - mehr dazu in Prozess um Schutzgelderpressung vertagt.

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Die Polizeiaufgebot war im Straflandesgericht hoch

„Diese Leute nehmen mir seit zwei Jahren Geld weg“

Er war 2014 nach Österreich gekommen, wo er zunächst als Türsteher in einem Lokal auf der Ottakringer Straße zu arbeiten begann, das seiner Aussage zufolge von der Bande um Schutzgeld erpresst wurde. Die beiden Geschäftsführer seien ganz niedergeschlagen gewesen, einer der beiden hätte ihm sein Leid geklagt. "Ich kann nicht mehr. Entweder bringe ich mich um oder ich weiß nicht, was ich machen soll.

Diese Leute nehmen mir seit fast zwei Jahren Geld weg", gab der 38-Jährige eine angebliche Aussage des Lokal-Betreibers wieder. Als er in dem Lokal nicht mehr weiterbeschäftigt wurde, wechselte der Serbe die Seiten und dockte bei „Edo“ an. Wegen Beteiligung an dessen Erpressungen und zahlreicher anderer Vergehen wurde er dafür im vergangenen August in einem separat gegen ihn geführten Verfahren in erster Instanz zu drei Jahren teilbedingter Haft verurteilt.

Dass er zu diesem Zeitpunkt bereits mit dem Strafverfolgungsbehörden kooperierte und sein Wissen über „Edo“ und dessen Bande namens „Struja“ (auf Deutsch: Strömung) den Strafverfolgungsbehörden anvertraut hatte, wirkte sich bei der Strafbemessung mildernd aus.

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Die Sicherheitsvorkerungen waren so hoch, weil Zeugen bedroht wurden

„Kopfgeld“ auf den Hauptbelastungszeugen

Für die Anklagebehörde offenbar zu milde - sie legte Strafberufung ein, über die Mitte Dezember im Justizpalast verhandelt wird. Bis dahin ist der Mann in einem Gefängnis untergebracht, wo er seinen Angaben zufolge seit August von einem tschetschenischen Mithäftling bedroht wurde, der mittlerweile in eine andere Justizanstalt verlegt worden ist. Auf den Zeugen, der „Edo“ ans Messer geliefert hatte, soll außerdem ein „Kopfgeld“ von bis zu 250.000 Euro ausgelobt worden sein.

Sonderlich furchtsam dürfte der Hauptbelastungszeuge dessen ungeachtet nicht sein. Er hielt einen ursprünglichen Antrag auf eine von den Angeklagten abgesonderte Vernehmung nicht aufrecht. „Edo“ und seine Leute durften daher bei seiner Befragung anwesend sein und hörten in einer Entfernung von wenigen Metern mit an, wie der Zeuge erklärte, sie hätten nicht nur das Lokal, in dem er früher gearbeitet hatte, sondern - was nicht von der Anklage umfasst ist - die gesamte Ottakringer Straße erpresst.

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Presse und Teilnehmer mussten durch eine Sicherheitsschleuse

„Beleidigung“ kostete 5.000 Euro

Für eine bloße Beleidigung soll „Edo“ von einem Lokal-Besitzer 5.000 Euro verlangt haben. „Edos“ angeblich damit verbundene Drohung, ansonsten würde man die Verlobte des Gastronomen vergewaltigen, will der Zeuge persönlich weitergeleitet haben.

Den Angaben des Serben zufolge sollen die zwei Geschäftsführer des Lokals, die ihm als Türsteher gekündigt hatten, von „Edo“ schließlich dazu gebracht worden sein, ihren Betrieb um 50.000 Euro zu verkaufen. „Edo“ habe den Geldbetrag als eine Art Schutzgeld gefordert, „weil sie ansonsten in Europa keinen Platz mehr haben“, gab der Zeuge zu Protokoll.

Prozess auf Freitag vertagt

Im Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit wurde die Befragung des 38-Jährigen am Nachmittag abgebrochen. Mit seiner Einvernahme wird am kommenden Freitag fortgesetzt. Der Verhandlungsplan in dem Mafia-Prozess ist damit durcheinandergeraten - ursprünglich hätte bereits heute ein zweiter wesentlicher Belastungszeuge aussagen sollen.

Dieser wird vermutlich erst nach dem Jahreswechsel in den Zeugenstand treten. „Edo“ hat die inkriminierten Vorwürfe stets bestritten und versichert, er hätte weder mit Schutzgeld-Erpressungen zu tun gehabt noch eine mafiöse Gruppierung geleitet.