Augenzeugen aus Aleppo auf der Bühne

„Badluck Aleppo“ heißt das neue Projekt, das Augenzeugen aus Aleppo auf die Bühne des Nestroytheaters Hamakom bringt. Die Flüchtlinge berichten über den Alltag in der zerbombten syrischen Stadt.

„Was haben diese 300.000 Menschen, die aus Aleppo zu uns gekommen sind, gesehen? Was haben sie dort erlebt?“ Diese Fragen stellte sich Theaterregisseur Karl Baratta, als er mit Natascha Soufi und Thomas Bischof sein neues Projekt „Badluck Aleppo“ auf die Bühne gebracht hat. Das Stück, das am Samstag im Theater Hamakom Premiere feiert, soll Barattas Fragen auf authentische Weise beantworten.

Dazu lassen die drei Initiatoren sieben Augenzeugen aus der syrischen Stadt selbst erzählen – über ihre persönlichen Erfahrungen, den Alltag im zerbombten Aleppo und ihre eigene Evakuierung aus der Stadt. Das Spektrum der Akteure reicht hierbei vom Lehrer über den Geschäftsmann, von einem Menschenrechtsaktivisten bis zu einer Sängerin.

„Ich habe so viele Menschen sterben sehen“

Murat* ist einer von ihnen. Er hat schon beim Vorgängerstück „Badluck“ mitgewirkt und hat den eigentlichen Anstoß zur Fortsetzung „Badluck Aleppo“ gegeben. „Die Idee kam eigentlich von ihm. Er hat noch unendlich viel zu erzählen und ist davon noch sehr bewegt“, sagt Baratta.

Ihre Erzählungen unterstützen die Flüchtlinge mit eigenen Videos und Bildern aus der Heimat. Sie selbst werden regelmäßig mit Bildern aus der zerbombten Stadt konfrontiert. „Erst letztens haben sie mir ein Bild von den Dächern Aleppos vor 2011, also vor dem Krieg, gezeigt. Es war so schön. Aber das ist es ja: Es war schön. Wenn ich dieses Bild jetzt sehe, dann denke ich an die Scharfschützen, die von dort aus wahllos Menschen erschossen haben. Ich habe dort so viele Menschen sterben sehen.“, sagte Murat.

Eindringliche Erinnerungen von der Front

Er habe viel zu erzählen, doch ein Vorfall sei ihm besonders stark in Erinnerung geblieben. Als Kameramann an der Front sah Murat wie ein LKW-Fahrer von einem Scharfschützen des Regimes angeschossen wird.

„Der Mann fiel auf die Knie und versuchte dem Scharfschützen ein Zeichen der Versöhnung zu signalisieren. Aber dieser Scharfschütze war kein Mensch, ihm war dieser Mann vollkommen egal. Für ihn war das Ganze wie ein Spiel. Zuerst schoss er ihm in seine Hand und lies ihn um sein Leben betteln und fünf Minuten später schoss er ihn wieder an. Er spielte mit seiner Seele, mit seinem Körper. Dieser Mann lag ganze zwanzig Minuten lang gekrümmt am Boden und blutete. Er wollte einfach nur sterben. Er wurde vor unseren Augen gefoltert und wir konnten nichts tun, um ihm zu helfen“, erzählt er.

Texte von Jelinek und Arzt als Counterpart

Vorstellungshinweis

„Badluck Aleppo“ im Theater Nestroyhof Hamakom, Nestroyplatz 1, 1020 Wien. Premiere am 25. Februar um 20 Uhr. Weitere Aufführungen am 26. Februar und am 28. und 29. März. Alle am selben Ort und zur selben Zeit. Eintritt als freie Spende für die Mitwirkenden.

Die drei Initiatoren belassen es jedoch nicht bei der Augenzeugenperspektive. Als Counterpart werden Texte von den beiden Autoren Elfriede Jelinek und Thomas Arzt von Schauspielern vorgelesen. Damit wollen die Initiatoren die Perspektive des Westens erfassen, die von den Medien geprägt wird und hauptsächlich vor den Bildschirmen zu Hause entsteht.

Laut Thomas Bischof ist diese Mediendarstellung lückenhaft. „Wenn man mit diesen Menschen spricht, bemerkt man, dass bei der Medienberichterstattung Vieles unter den Tisch fällt.“, sagt Bischof. Diese Lücken sollen auf der Bühne von den Augenzeugen und ihren Geschichten gefüllt werden. Von denen gibt es so viele, dass die Initiatoren jetzt schon über eine zweite Fortsetzung nachdenken. Bis dahin steht jedoch zunächst einmal „Badluck Aleppo“ am Programm.

*Name wurde von der Redaktion geändert

Marija Barisic, wien.ORF.at

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