Karmasin: Behinderte Schüler „diskriminiert“

Als in Österreich einzigartig hat ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin eine „Diskriminierung“ behinderter Schulkinder in Wien bezeichnet. Der Stadtschulrat für Wien verwehrt sich gegen die Vorwürfe.

Karmasin bezog sich auf Berichte von Betroffenen, wonach der Besuch des elften und zwölften Schuljahres für behinderte Jugendliche in Wien vom Stadtschulrat genehmigt werden müsse. Jugendliche seien so auf die „Gnade der Stadt angewiesen“. Es gebe dabei „immer mehr Ablehnungen“. Dass man um Bildung ansuchen müsse, „das ist Diskriminierung“, so Karmasin. Die Notwendigkeit des Ansuchens gehöre abgeschafft: „Alle Kinder haben ein Recht auf Bildung.“ Aus anderen Bundesländern habe sie noch nicht von derartigen Problemen gehört.

Wahlfreiheit bleibt auch künftig wichtig

Karmasin kündigte anlässlich des „Zero Discrimination Days“ der Vereinten Nationen am 1. März an, sich verstärkt Familien mit Kindern mit besonderen Herausforderungen widmen zu wollen.

Zero Discrimination Day 1. März

„Der ‚Zero Disrimination Day‘ (Null Diskriminierungs-Tag) ist eine Möglichkeit, gemeinsam gegen Diskriminierung aufzutreten und das Recht jedes einzelnen zu betonten, ein erfülltes und produktives Leben in Würde zu leben. Geschlecht, Nationalität, Alter, Behinderung, ethnischer Ursprung, sexuelle Orientierung, Religion, Sprache oder jedes andere Merkmal soll nie ein Grund für Diskriminierung sein.“ (UNAIDS)

Wichtig ist ihr dabei auch in diesem Bereich „Wahlfreiheit“, sagt Karmasin: Es müsse möglichst individuell entschieden werden, ob für das Kind Sonderschule oder Inklusion der bessere Weg sei. „Natürlich ist Inklusion immer die schönste Perspektive“, aber es gebe auch Herausforderungen, bei denen ein guter Gedanke erst wieder zu nicht ausreichender Förderung führe.

Dementsprechend ist Karmasin „nicht begeistert“ davon, dass Sonderschulen gemäß Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention bis 2020 zur Ausnahme werden sollen. „Ich bin für ein Sowohl-als-auch.“

Stadtschulrat: „Kein Recht auf ein weiteres Jahr“

Von Seiten des Stadtschulrats verwehrt man sich gegen die Vorwürfe. Es gebe kein Recht auf ein 11. und 12. Jahr, man prüfe aber immer, ob Plätze verfügbar sind. Allein in diesem Schuljahr 2016/17 habe man von 169 Anträgen auf ein 11. Jahr, 167 genehmigt. Von 95 Anträgen für ein 12. Jahr habe man 50 genehmigt, erklärte Rupert Corazza, Landesschulinspektor für Inklusion.

Die Pflichtschule (v.a. Volks-, Neue Mittel-, Sonderschule) ist in Österreich nur bis zum neunten Schuljahr vorgesehen, vom Finanzministerium gibt es auch nur für diese Dauer Geld. Auf ein zehntes Schuljahr gibt es ebenfalls ein Recht (und eine teilweise Finanzierung), das elfte und zwölfte Schuljahr an den Pflichtschulen sei allerdings nicht vom Finanzministerium bedeckt. Deshalb gebe es darauf auch kein Anrecht, sondern nur die Möglichkeit, einen Antrag zu stellen.

Wien als Schulerhalter könne einen Platz „nur anbieten, wenn es nicht zu sehr auf Kosten der anderen Schuljahre geht“, so Corazza. Außerdem gebe es für Schüler, die die Schulpflicht absolviert haben, außerschulische Maßnahmen. Oft sei Schule auch nicht der ideale Ort für einen 17- oder 18-Jährigen, um sich auf einen Berufseinstieg vorzubereiten. Wien habe hier keine Sonderrolle: Auch in anderen Bundesländern gebe es kein Recht auf ein elftes oder zwölftes Schuljahr an den Pflichtschulen, es müsse immer ein Antrag an Schulbehörde und Schulerhalter gestellt werden.

Sonderschulen schrittweise umgestellt

Die Sonderschulen in Österreich sollen bis 2020 zur Ausnahme werden. In Wien wird schrittweise auf ein inklusives System umgestellt. Schüler mit und ohne körperliche und geistige Einschränkungen sollen gemeinsam unterrichtet werden - mehr dazu in Sonderschulen schrittweise umgestellt

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