Traditionslokal Cafe Industrie sperrt zu

Kein klassisches Wiener Kaffeehaus, sondern ein typisches Vorstadtcafe am Gürtel: Nach 103 Jahren sperrt das „Cafe Industrie“ zu. Mundl- und Kaisermühlen-Blues-Autor Ernst Hinterberger war dort zu Lebzeiten Stammgast.

„Ich kann nichts mehr reinstecken, ich habe schon viel reingesteckt - ja, aus.“ Eine nüchterne Erkenntnis der Chefin Ruth Binder, die das Cafe Industrie vor fünf Jahren von ihrer Mutter übernommen hat. Ende der Woche sperrt sie das Traditionslokal zu, zum Leidwesen der Stammgäste: „Seit 20 Jahren komme ich hier her“ oder „wenn ich einkaufen gehe, trinke ich einen Spritzer - und gehe wieder heim“, erzählen die Besucher.

Industrie

ORF

Besten Zeiten hinter sich

Seine besten Zeiten hat das über 100-jährige Cafe Industrie schon lange hinter sich. Was gemeinhin als Retroschick bezeichnet wird, ist hier original. Früher war das Cafe ein verrufenes Spielerbeisl in bester Gürtellage. Es war das Stammlokal von Mundl-Erfinder Ernst Hinterberger, der im Gemeindebau nebenan gewohnt hat.

Vor ein paar Jahren hat Binder das Cafe Industrie umgestaltet: Aus einem heruntergekommenen „Branntweiner“ zu einem Eventlokal mit Musik, Lesungen und Kabarett. Damit wollte Binder ein neues Publikum ansprechen, ein Plan, der nicht vollends aufging, so Binder: „Ohne Veranstaltung hast du nur noch mehr ein paar Trinker und ich bin einfach nicht der Typ Mensch, der sich täglich betrinkt um ein Geschäft zu machen.“

Keine Genehmigung für Veranstaltungen

Doch mit den Veranstaltungen ließ sich nicht lange ein Geschäft machen. Es gab Anrainerbeschwerden und Behördenauflagen, denn für ein Veranstaltungslokal hatte die Chefin keine Genehmigung. Die nötigen Umbauten waren der Chefin zu teuer und darum ist jetzt endgültig Sperrstunde, erklärt Binder: „Es ist sehr viel Wehmut dabei.“