Siemens-Prozess: Bargeld im Koffer, teure Berater

Zum Auftakt des Strafprozesses um „Schwarze Kassen“ bei Siemens Österreich sind am Dienstag tiefe Einblicke in die Geschäftspraxis des Unternehmens geboten worden. Zwei Ex-Siemens-Manager sind wegen Untreue angeklagt.

Im Wiener Straflandesgericht wurden Bargeldtransporte im Koffer, teure Berater am Balkan und Offshore-Firmen erörtert. Sechs Prozesstage sind vorerst angesetzt, mehrere Zeugen sind geladen. Den zwei Beschuldigten - ein ehemaliger Finanzverantwortlicher und ein ehemaliger Bereichsleiter von Siemens Österreich - wird Untreue in Höhe von über 17 Mio. Euro vorgeworfen, ihnen drohen bis zu zehn Jahre Haft. Die beiden erklärten sich für nicht schuldig.

Laut Anklageplädoyer wurden mit Scheinrechnungen ohne Gegenleistung Millionen aus dem Siemens-Konzern hinausgeschleust. Mit den Geldern sollten „diskrete Zahlungen“ - sprich Bestechung - erfolgen, um insbesondere am Balkan zu lukrativen Aufträgen für Siemens zu kommen. Die Verteidiger der beiden Angeklagten wiesen die Vorwürfe zurück. Der Anwalt des Bereichsleiters meinte, Aufträge fallen nicht vom Himmel, man müsse eben investieren.

Bargeldtransporte per Koffer

Der Erstangeklagte, ehemals Finanzchef bei Siemens Österreich, überraschte mit Schilderungen von Bargeldtransporten, die er letztlich auf Wunsch von Siemens Deutschland durchgeführt habe. Dabei wurde Bargeld in Millionenhöhe in Deutschland abgeholt, von ihm an den Zweitangeklagten übergeben und von diesen dann an den „Berater“ in Osteuropa oder am Balkan weitergegeben. Das sei dann ganz offiziell bei Siemens Deutschland verbucht worden, so der Ex-Finanzchef.

Als Grund für die Bargeldtransporte im Koffer nannte er, dass die Banken in den jeweiligen Ländern eben nicht funktioniert hätten. Warum er keine anderen Übermittlungswege gefunden habe, etwa durch Überweisungen auf ein Konto einer österreichischen Bank, konnte er nicht beantworten. Einmal hatte er 7,7 Millionen Euro in Deutschland abgeholt, an den Zweitangeklagten übergeben, und dieser gab es einem bosnischen Berater weiter.

Berater bekamen hohe Provisionen

Bei vielen Aufträgen, die Siemens bekommen hatte, waren im Vorfeld derartige Berater tätig. Diese haben hohe Provisionen bekommen, sobald der Auftrag zustande kam. Dabei erhielten die „Business Consulter“ - kurz BC genannt - 10 Prozent des Umsatzes im Mobilfunkbereich und 8 Prozent im Festnetzbereich - also hohe Summen. In Summe gab es über 400 Business Consulter-Verträge bei Siemens, schilderte der ehemalige Siemens-Österreich-Finanzchef.

Besonders oft nannte der Erstangeklagte den Namen einer Schlüsselperson, die bei einem Jagdunfall im Jahr 2008 ums Leben kam. „Wir können ihn leider nicht mehr fragen“, kommentierte die Richterin. Laut dem Angeklagten hatte der Verstorbene, der bei einer Werbeagentur arbeitete, Pressearbeit zu machen. Dass der mit ihm befreundete Werbefachmann in Wirklichkeit eine „Doppelrolle“ hatte und mit einem zypriotischen Firmennetzwerk verbunden war, das habe er damals nicht gewusst, beteuerte der ehemalige Finanzchef.

Keine Leistungsnachweise gefordert

Der Ex-Manager, dessen Vertrag mit Siemens im Jahr 2007 einvernehmlich gelöst wurde und der damals 900.000 Euro brutto erhalten hatte, ließ immer wieder deutlich durchblicken, dass die Verhältnisse früher anders gewesen seien - und der Umgang mit Geld offenbar lockerer war. So habe man etwa eine Ministerin auf Siemens-Kosten nach Salzburg eingeladen - das habe auch Siemens Deutschland gewusst. Dass in den Verträgen mit den Business Consultern trotz hoher Beträge keine Leistungsnachweise gefordert wurden, verwunderte ihn nicht: Wichtig sei nur gewesen, dass der Auftrag für Siemens errungen worden sei.

Der Ex-Finanzchef schilderte etwa die Vorgänge bei einer Ausschreibung im Mobilfunk in Serbien. Dem Berater sei gesagt worden, „du musst aufpassen auf diese drei Punkte, wenn die in der Ausschreibung drinstehen, haben wir keine Chance gegen Ericsson“. Wie genau der Siemens-Berater dann Einfluss auf Behörden oder andere Zuständige ausgeübt habe, darüber konnte der Hauptangeklagte keine Auskunft geben. „Wir haben nicht gezahlt, dass es eine faire Ausschreibung gibt“, meinte er. Man habe nur „unfaire Ausschreibungen“ verhindern wollen.

Siemens Österreich habe immer gut gewirtschaftet, hob er hervor: „Österreich hat 18 Prozent EBIT zusammengebracht, weltweit waren es nur 3,5 Prozent“, zeigte sich der Ex-Manager heute noch stolz. „Aber man darf den Schluss nicht ziehen, dass das dadurch entstand, weil hier irgendwelche Leute mit Geldkoffern herumgefahren sind.“

„Kyrillischer Zettel“ als Erklärung

Zum Schluss der heutigen Befragung wollte die Richterin vom Hauptangeklagten wissen, woher rund zwei Millionen Euro auf seinem Konto bei einer Schweizer Bank stammen. Daraufhin schilderte der Ex-Manager ausführlich seine Erklärung: Sein 1989 verstorbener Vater habe ihm einen „Zettel“ mit kyrillischer Schrift hinterlassen, der ehemalige serbische Präsident habe ihm dann im Jahr 2001 geholfen, den Inhalt herauszufinden. Offenbar habe sein Vater Forderungen an verschiedene Russen gehabt, diese Forderungen habe dann ein weiterer Verbindungsmann am Balkan für ihn verkauft.

Daraufhin seien rund zwei Millionen Euro (die Hälfte davon in US-Dollar) auf sein Schweizer Konto eingegangen. Dass diese Geldtransfers ausgerechnet von einer zypriotischen Gesellschaft der mit dem Hauptangeklagten befreundeten Schlüsselperson gingen, konnte er nur mit „Zufall“ erklären. Den „Zettel“ mit kyrillischer Schrift finde er leider nicht mehr. Und warum die Schweizer Bank ihn in ihren Aufzeichnungen als „Selbstständigen, der mit Maschinen handelt“ führte, könne nur ein Fehler der Bank gewesen sein.

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