Donauweibchen tourt durch Wien

Autor Bernd Watzka inszeniert „das Donauweibchen“ an fünfzehn Spielorten in verschiedenen Wiener Bezirken. Mit wien.ORF.at hat er über den Mangel an Fantasie, politisches Theater und verstaubte Keller gesprochen.

Vom Wassergeist Undine bis zur „kleinen Meerjungfrau“ ließ sich Bernd Watzka inspirieren - und schrieb ein Stück über die Wiener Sage des „Donauweibchens“. Es handelt von einer klassischen Mann-Frau-Beziehung, die die besten Jahre hinter sich hat. Da taucht das Donauweibchen auf, eine Dreiecksgeschichte entspinnt sich. Doch die Nixe kommt in Schwierigkeiten. Als Fremde hat sie nicht nur mit Ausländerfeindlichkeit zu kämpfen, auch die Fantasielosigkeit der Menschen bedroht sie.

Szene

Nela Pichl

Liliane Zillner spielt das „Donauweibchen“ im Stück

wien.ORF.at: Herr Watzka, mangelt es unserer Gesellschaft an Fantasie?

Bernd Watzka: Ganz sicher. Weil es eine Gesellschaft ist, die vom Kapitalismus beherrscht ist, von Rücksichtslosigkeit und der Ich-AG. Es gibt kaum noch Platz fürs Träumen und die Fantasie. Umso stärker tritt die Donaunixe im Stück auf, weil sie merkt, wie das Land beschaffen ist . Sie kämpft dann erst recht, um sich zu behaupten in einer fantasielosen Welt.

wien.ORF.at: Glauben Sie, dass es uns auch im Umgang mit der Integrationsfrage an Fantasie mangelt?

Watzka: Auf jeden Fall. Da ist überhaupt keine Kreativität zu erkennen, die Lösungen abseits von starrer Rechtsauslegung findet.

wien.ORF.at: Das Donauweibchen ist ja eine Figur aus der Wiener Sage und als solche ein Stück weit Teil der österreichischen kulturellen Identität. Ist es nicht paradox, dass diese Figur auf Ausländerfeindlichkeit stößt?

Watzka: Das Stück hat ja drei Ebenen. Die eine ist die klassische Mann-Frau-Liebesgeschichte, die zweite die Asyl- und Integrationsgeschichte. Es ist auch schräg, dass die Nixe wie die Flüchtlinge übers Wasser kommt, da gibt es viele Parallelen. Und die dritte Ebene ist, dass die Nixe ein Sinnbild für Fantasie ist. In dem Stück gibt es einen Kampf zwischen der „bunten Fantasie“ und dem „grauen Alltag“. Das ist der Hauptkonflikt. Die Nixe wird wohl eher in ihrer Rolle als Fantasiefigur abgelehnt.

wien.ORF.at: Läuft man bei so vielen Ebenen nicht Gefahr, dass das Stück überladen wirkt?

Watzka: So ein Thema lädt natürlich dazu ein, dass man unzählige Zugänge findet, aber das Wichtigste ist die Fantasiegeschichte. Es ist schön, wenn sich der Zuschauer an die Asyldebatte erinnert fühlt. Die wird nicht explizit angesprochen, denn wenn man etwas aussprechen muss, hat man schon verloren. Die Hauptgeschichte ist der von Haus aus zum Scheitern verurteilte Versuch einer Märchenfigur, in der Realität Fuß zu fassen.

Eine Märchenfigur kann nur im Kopf existieren, aber sie versucht trotzdem in die Realität zu kommen. Und das führt zur Frage, was ist „echt“ und was ist nicht? Wenn ich an etwas hundertprozentig glaube, ist es unter Umständen echter als ein realer Gegenstand, der keine Bedeutung hat.

wien.ORF.at: Ist Theater heute zu wenig gesellschaftskritisch?

Watzka: Vielleicht auf eine andere Art als früher, da ist das ein bisschen expliziter angesprochen worden. Heute läuft es subtiler ab. Da muss man ein bisschen genauer schauen, als in dem radikalen, politischen Theater der 1970er- und 80er-Jahre.

donauweibchen

Nela Pichl

Die Dreiecksgeschichte steht nicht im Mittelpunkt

wien.ORF.at: Was würden Sie sich wünschen, dass das Publikum mitnimmt aus dem Stück?

Watzka: Dass man sich gut unterhalten hat und, dass man über die Ebenen ein bisschen nachdenkt. Ob es uns vielleicht wirklich an Fantasie mangelt, und wie man Fantasie ins Leben lassen kann. Und auch über die Integrationsgeschichte. Oft sind Flüchtlinge anonyme Menschen für uns. Da ist es eine Einzelperson, bei der exemplarisch ein Kampf um Anerkennung und Asyl vorgeführt wird.

wien.ORF.at: Sie wollen Menschen, die sonst nicht so viel mit Hochkultur am Hut haben, Theater nahebringen. Warum ist das so wichtig?

Watzka: Da gibt es einen pragmatischen Grund. Ich finanziere diese Projekte über Bezirkbudgets, und die Bezirksbudgets fördern eher Projekte, die leicht zugänglich sind. Also haben wir 15 Aufführungen in ganz Wien. Wenn man sich entschließt so eine Stadttournee zu machen und rauszugehen in die Bezirke, dann muss das niederschwellig sein, sonst wird man sich keine Freude machen.

wien.ORF.at: Die Orte selbst sind ganz unterschiedlich: Cafés, Theater, auch mal ein Versammlungssaal oder ein Amtshaus. Erfolgt diese Wahl zufällig, oder ist es Teil des Konzepts, an ganz unterschiedlichen Orten zu spielen?

Watzka: Teil des Konzepts ist in erster Linie, dass es leistbare Orte sind. Es würde in vielen Bezirken Bühnen geben, die vielleicht größer oder repräsentativer sind. Aber ich finde, Förderungen sollen als Erstes an die Menschen gehen und nicht an Miete oder Ausstattung. Ich versuche diese Budgetposten klein zu halten, damit viel Geld für die Schauspieler und alle Beteiligten übrig bleibt.

wien.ORF.at: Ist es nicht auch eine große Herausforderung für die Inszenierung und das Bühnenbild, wenn man sich an so viele verschiedene Orte anpassen muss?

Watzka: Absolut. Ich sage dem Regisseur von Anfang an, dass er ein Konzept entwickeln muss, dass auf kleinen Bühnen genauso wie auf großen Bühnen funktioniert. Es muss alles sehr mobil sein, denn man schleppt das ja 15 Mal durch Wien. Es muss reduziert sein, aber das ist ja eh viel schöner, eine reduzierte Inszenierung. Im Idealfall hat man kein einziges Requisit.

wien.ORF.at: Theater hat ja für viele junge Leute etwas leicht Verstaubtes. Wie könnte man das denn wieder mehr in die Realität von jungen Leuten holen?

Watzka: Man muss sich von der modernen Spielfilmästhetik ein bisschen beeinflussen lassen. Eine Szene, die fünf Minuten dauert wird ermüdend, weil sich die Sehgewohnheiten geändert haben. Das Publikum ist die schnellen Schnitte gewohnt. Man muss das nicht kopieren, aber man muss wissen, wie andere Medien funktionieren und damit umgehen. Wichtig ist auch, dass man rausgeht aus dem klassischen Theater und vieles ausprobiert.

Veranstaltungshinweis: „Das Donauweibchen“ feiert seine Premiere am 15.09. im Brick-5 im 15. Bezirk. Die weiteren Spielorte finden sich auf der Website.

Open Air ist immer toll, da bleiben die Leute einfach so stehen. Theater ist oft etwas Unsichtbares, Eingesperrtes, man muss in einen Keller gehen, es ist so abgeriegelt. Man sollte kreativ werden und versuchen, andere Spielräume zu finden. Ich denke gerade an diese Basketballkäfige, die es überall gibt. Dort ein Theaterstück zu inszenieren ist sicher toll, denn da gehen die Jugendlichen hin, das ist ihre Welt. Man muss das Theater aus dem verstaubten Keller tragen.

wien.ORF.at: Es hat im letzten Jahr in Wien ein paar recht innovative Theaterprojekte gegeben. Bei „Cellar door“ im Schauspielhaus konnte die Handlung sogar über ein Internetportal beeinflusst werden.

Watzka: Das ist ein Versuch, in der digitalen Welt Fuß zu fassen, aber mich persönlich interessiert es nicht so. Es ist toll, wenn jemand in diese Richtung forscht, und eine gute Umsetzungsmöglichkeit entdeckt. Grundsätzlich glaube ich aber, dass die Stärken des Theaters woanders liegen.

Man sollte technische Entwicklungen schon verfolgen und einbeziehen, aber die Stärken vom Theater sind für mich zwischenmenschliche Konflikte darzustellen in ihrer ganzen Ausführlichkeit und Dramatik. Und das muss ohne technische Unterstützung funktionieren, ohne ein einziges Requisit, einfach nur zwei Leute auf einer Bühne.

Das Interview führte Sarah Nägele, wien.ORF.at

Link: