Ratschiller: Boulevard wird „extrem überschätzt“

Der nächste Weltkrieg droht, und keinen scheint es zu interessieren: Das Buch des Kabarettisten Hosea Ratschiller zeigt, welchen Einfluss Boulevardschlagzeilen auf den Alltag der Menschen und ihr Weltbild haben.

Wie würden Sie reagieren, wenn die auflagenstärkste österreichische Boulevardtageszeitung mit der Schlagzeile „Kommt jetzt der Weltkrieg?!“ titelt? Dieser Frage geht FM4-„Ombudsmann“ und Kabarettist Hosea Ratschiller in dem Buch „Der allerletzte Tag der Menschheit (jetzt ist wirklich Schluss!)“ nach.

Der Friseurin im Seniorenheim ist es darin etwa ziemlich egal, sie stört vielmehr das andauernde Kopfkratzen ihrer Kundin. Der Universitätsprofessor hingegen ist vielmehr damit beschäftigt, seiner Frau zu erklären, wo er die letzten Tage verbracht hat, und die Selbsthilfegruppe in Mödling befasst sich mit der Frage, wie viel eine Putzfrau machen kann, bevor die Arbeit als Sklaverei gilt. Nur auf Facebook wird ein ähnlicher Artikel geteilt, unter dem die Leute über das Bestehen des Bundesheers diskutieren.

Illustration "Allerletzer Tag der Menschheit"

Stefanie Sargnagel

Stefanie Sargnagel steuerte die Illustrationen zu dem Buch bei

Anlehnung an Karl Kraus

Entstanden ist das Stück, welches die Vorlage für das Buch ist, bereits 2014. 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs zeigten viele Landestheater damals „Die letzten Tage der Menschheit“ von Karl Kraus. Ratschillers Text lehnt sich an diesen an und beschreibt ein Endzeitszenario 100 Jahre später. 2016 gewann er dafür den Österreichischen Kabarettpreis, 2017 den Salzburger Stier.

Am 10. November wird das Buch veröffentlicht. Die Illustration der Figuren übernahm Stefanie Sargnagel. Hauptthema des Textes ist der Umgang mit Boulevardmedien. „Ich denke, dass die Rolle der Boulevardmedien für die gesellschaftliche Entwicklung extrem überschätzt wird“, sagt Ratschiller.

Einfluss auf den Alltag der Menschen gering

„Ich glaube nicht, dass sie den Alltag von Menschen bestimmen, sondern bestenfalls Stimmungen auffangen und reproduzieren.“ Die Figuren in seinem Text, die ihr Leben wie gewohnt fortführen, sollen verdeutlichen, wie wenig Einfluss die „Skandalisierung und der Zwang, alles noch mehr zuzuspitzen“, auf den Alltag der Menschen habe.

Das Kabarett ist für Ratschiller dabei ein Ort, an dem derartige Kritik möglich ist. „Man begegnet sich hier in einer Atmosphäre, in der die Leute schon darauf eingestellt sind, dass sie herausgefordert werden, und deswegen kann man da Sachen ansprechen, die man in einem gesitteteren Umfeld nicht so ohne Weiters ansprechen könnte“, sagt er. Indem man Kritik auf humorvolle Art transportiere, könne man auch leichter schwierige Themen ansprechen, die selten thematisiert werden.

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