Wien im Kino: Walzer mit dem „süßen Mädel“

Ab 23. November zeigt das Filmmuseum, wie Wien im Kino der Zwischenkriegszeit dargestellt wurde. Wie wenig dieses nostalgische Wien mit der Realität zu tun hat, beschreibt ein dazu erscheinendes Buch.

„Was dieses Buch zeigt, ist, dass Wien eben nicht so antimodern und nostalgisch war und hinter dem süßen Mädel doch recht radikale Erfahrungen erzählt werden, die damit zu tun haben, dass es eine Moderne gibt und sich die Dinge radikal verändern“, sagt Alexandra Seibel. In dem auf Englisch erscheinenden Buch „Visions of Vienna. Narrating the City in 1920s and 1930s Cinema” beschäftigt sie sich mit den Klischees, die in Filmen über Wien in den 1920er und 30er Jahren gezeigt wurden.

Denn hinter den nostalgisch aufbereiteten Szenen steckt oft eine Auseinandersetzung mit aktuellen Themen. Wie etwa die Figur des süßen Mädels. Erstmals erwähnt von Arthur Schnitzler, ist sie auch Teil einiger Filme: Die junge Frau aus dem niedrigen gesellschafltichen Stand, die eine Beziehung mit dem wohlhabenden Mann aus der Oberschicht beginnt.

Filmstill "The Wedding March"

Photoplay Productions

Häufig werden mit den Klischees gesellschaftliche Probleme thematisiert

Verniedlichung der Realität

Hinter dieser Rolle steckt für Seibel eine Art Verniedlichung der Realität: „Gerade um die Jahrhundertwende gab es eine hohe Prostitutionsrate, das waren triste Zustände, in denen Frauen effektiv deklassiert wurden. Das Wiener Mädel im Film ist eine Art Folklorisierung der Situation, das Elend dieser Frauen wird ein bisschen verniedlicht.“

Veranstaltungshinweis

„Visions of Vienna“ von 23. bis 27. November im Filmmuseum, Augustinerstraße 1, 1010 Wien

So werde die schwierige Situation in den Filmen oftmals dadurch aufgelöst, dass der Aristokrat sich letztlich für das süße Mädel entscheide. „Die Liebe überwindet hier die Klassenschranken, was in der Realität nicht passiert“, sagt Seibel.

Vor allem jüdische Autoren

Bei der Auswahl der Filme hat Seibel sich vor allem auf Autoren konzentriert, die selbst nicht mehr in Wien gelebt haben. „Es ist interessant, dass es vor allem jüdische Autoren waren, die auch vor der Zeit des Nationalsozialismus eine Minderheit in einer katholischen oder christlichen Gesellschaft waren. Auch diese Erfahrung, ein bisschen ein Außenseiter zu sein, wird in diesen Filmen immer wieder spürbar“, sagt Seibel.

So thematisiert Erich von Stroheim etwa 1928 in „Der Hochzeitsmarsch“ Probleme unter der Regierung von Karl Lueger. Dafür wird der Rathausmann zu einem bösen Ritter, der vom Rathaus hinabsteigt und das Donauweibchen ermordet.

Filmstill "Ein Walzertraum"

Österreichisches Filmmuseum

Zwischen 23. und 27. November zeigt das Filmmuseum einige der Filme

„In meiner Kindheit habe ich den Rathausmann immer als Wahrzeichen von Wien betrachtet. Die Idee des bösen Rathausmannes hat mich irritiert“, sagt Seibel. Die Verbindung entdeckt sie schließlich auf einer Postkarte, die jüdische Bankiers zeigt, die aus dem Rathaus geworfen werden.

„Da hat sich so ein bisschen herauskristallisiert, dass der Rathausmann schon auch eine antisemitische Symbolkraft hatte. Ich glaube, dass von Stroheim den Rathausmann verwendet hat, um von diesem Wien unter Lueger zu erzählen, dass sehr antisemitisch war.“

„Alles andere als ein nostalgisches Wien-Filmchen“

Eine Auswahl der Filme, die Seibel in ihrem Buch bespricht, zeigt das Filmmuseum zwischen 23. und 27.November in der Filmreihe „Visions of Vienna“. Für die Autorin sind diese Filme auch fast 100 Jahre nach Erscheinungsdatum noch modern und aktuell.

„Das ist alles andere als ein nostalgisches Wien-Filmchen bei dem man schon nach zehn Minuten die Augen verdreht und sagt ich kann nicht mehr“, so Seibel. „Diese Filme erzählen von historischen Momenten, der skrupellosen Klassengesellschaft und dem vorherrschenden Moralkodex.“

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