Wenig Betreuung für traumatisierte Flüchtlinge

Vor allem bei afghanischen und tschetschenischen Flüchtlingen sind migrationsbedingte psychische Störungen häufig. Sie werden in Wien in speziellen Einrichtungen betreut. Diese sind aber komplett überlastet, sagen Experten.

Ob jener Afghane, der in der Leopoldstadt vier Menschen niedergestochen haben soll, an einer psychischen Erkrankung leidet, muss ein Gerichtsgutachten klären - mehr dazu in Nach Messerattacke: Verdächtiger auf Psychiatrie.

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Er lebt seit zwei Jahren in Österreich. Hätten in dieser Zeit seine Betreuer in der Unterkunft im Geriatriezentrum am Wienerwald nicht bemerken müssen, dass mit dem Afghanen offenbar etwas nicht stimmt? „Das ist bei solchen Menschen schwierig, weil die in der Betreuungssituation völlig unauffällig sind“, sagt der Wiener Flüchtlingskoordinator Peter Hacker. „Man sieht diese Menschen in ihrer Erkrankung nur in ihren Ausnahmesituationen.“

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In Wien gibt es 230 Plätze für Flüchtlinge mit erhöhtem Betreuungsbedarf

Vertrauen entscheidend

Taten wie jene in der Leopoldstadt können kaum verhindert werden, sagt Thomas Stompe, der die Spezialambulanz für migrationsbedingte psychische Störungen am AKH leitet. „Es ist ja immer bis zu einem gewissen Grad ein Glücksfall, ob sich in einer Einrichtung eine Bezugsperson findet, zu der der Betroffene so ein Vertrauen aufbauen kann, dass er auch etwas erzählt. Und dann hängt es auch davon ab, ob die Bezugsperson das Erzählte einigermaßen einschätzen kann“, so Stompe.

„Afghanen besonders unter Druck“

In Wien gibt es derzeit in elf Quartieren rund 230 Plätze für Flüchtlinge mit erhöhtem Betreuungsbedarf. Unter anderem beim Alberner Hafen. Die Diakonie betreut dort 20 Asylwerber mit psychiatrischen Störungen intensiv. Den höchsten Betreuungsbedarf haben Tschetschenen und Afghanen. „Bei den Afghanen stellen wir aktuell fest, dass die besonders unter Druck sind“, so Heinz Fronek von der Diakonie Flüchtlingshilfe.

Der Grund dafür seien die langen Asylverfahren, die Unsicherheiten und Ängste schürten. Das wiederum könne Depressionen oder posttraumatische Belastungsstörungen verstärken, unter denen die Flüchtlinge häufig wegen Gewalt im Heimatland oder während der Flucht leiden.

„Ich vergleiche das gerne mit einem Häferl, das kocht. Wenn man das nicht vom Herd nimmt. Dann wird es weiterkochen. Das heißt, wir müssen Umgebungsfaktoren schaffen, wo dieser Druck bearbeitbar ist, wo sich die Menschen mit diesen Anteilen auseinandersetzen können, unter anderem in der Psychotherapie“, so Fronek.

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Literatur zum Thema Männlichkeit, Migration und Gewalt

Bis zu ein Jahr Wartezeit

Da brauchte es dringend mehr Plätze. Aktuelle Wartezeiten: bis zu ein Jahr. Vor allem in dieser Zeit sollten betroffene Asylweber nicht alleine gelassen werden. Vor allem Patenschaften für jugendliche Flüchtlinge könnten helfen, um das Abgleiten in die Kriminalität zu verhindern.

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