Dompfarre schickt Beichtende zum Therapeuten

Einen Boom bei der Beichte erlebt aktuell die Dompfarre St. Stephan - wegen längerer Öffnungszeiten und weil die Beichte in 50 Sprachen angeboten wird. Neu ist, dass Beichtväter „schwierige Fälle“ an Psychotherapeuten weitervermitteln.

Vor den Feiertagen ist in der Dompfarre St. Stephan der Andrang immer besonders groß. Menschen wollen ihre Sünden loswerden, am liebsten schnell: „Vor Ostern ist die Schlange wirklich lang. Wenn dann jemand nach Jahren oder Jahrzehnten alles auspacken will, wächst der Unmut derer, die noch beichten wollen. Die klopfen dann beizeiten ungeduldig an die Tür“, berichtet Dompfarrer Toni Faber.

Beichträume Stephansdom

kathbild.at / Franz Josef Rupprecht

Die hölzernen Beichtstühle wurden durch Beichtzimmer ersetzt

Beichte in 50 Sprachen

Auch allgemein erfreut sich die Beichte im Stephansdom einer Popularität wie lange nicht mehr. Faber spricht gar von einem „Beichtboom“ in St. Stephan: „Vor zwei Jahren haben wir das Beichtangebot stark erhöht. Mittlerweile haben wir einen Pool von eigenen und 60 zusätzlichen Priestern, die Ihnen gerne zuhören, wenn Sie Sorgen auf der Seele haben.“

Von 7.00 Uhr bis 22.00 Uhr können Menschen in der Dompfarre beichten, ohne Anmeldung, sieben Tage die Woche. Die Beichte kann in 50 Sprachen abgenommen werden. Für Ostern wurden zwei bis drei zusätzliche Beichtzimmer angeboten, um die Nachfrage zu stillen. Nicht nur Wiener, sondern auch Touristen bitten um die Beichte. Einen österreichweiten Beichtboom gebe es aber nicht, sagt Johann Pock von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

Hilfe von „spirituell-affinen“ Therapeuten

Wenn die Beichte nicht ausreicht, werden Personen auch weitervermittelt, sagt Faber: „Wir haben eine Liste von Therapeuten und Psychiatern in den Beichtzimmern aufliegen, die spirituell-affin sind. So können wir Menschen weiterweisen, wenn wir denken, dass eine zusätzliche Begleitung sinnvoll wäre. Die Weitervermittlung verläuft sehr vorsichtig und diskret.“

Beichträume Stephansdom

kathbild.at / Franz Josef Rupprecht

Broschüren von Therapeuten liegen in den Beichtzimmern auf

In anderen Pfarren sieht Faber noch Aufholbedarf. Vor allem, wenn es um den Ablauf und das Flair der Beichte geht. In St. Stephan ist zum Beispiel der hölzerne Beichtstuhl längst Geschichte: „Der Holzbeichtstuhl ist hinausgeflogen und vollständig durch ein Beicht- und Aussprachezimmer ersetzt worden.“ An einem Tisch kann man sich dem Priester gegenüber setzen oder sich gleich daneben vor einer kleinen Beichtwand hinknien.

In weiten Teilen Österreichs wird noch immer die klassische Beichte praktiziert, meint Johann Pock: „Die Ohrenbeichte im Beichtstuhl hat noch lange nicht ausgedient hat. Ein Grund liegt hier wohl auch in der damit verbundenen Anonymität, die das Bekennen von persönlichen Sünden erleichtert.“ Bei der Form der Beichte unterscheiden sich zudem katholische und evangelische Kirche. In evangelischen Kreisen ist die „Laienbeichte“ Usus, die nicht nur von einem Priester abgenommen werden kann.

Kleine Gesten der Wiedergutmachung

Ein heikles Thema ist nach wie vor die Buße. Ein Vaterunser oder ein Rosenkranz seien heutzutage in St. Stephan nicht mehr üblich, sagt Faber: „Wir empfehlen den Menschen, dem Herrgott zu danken, eine kleine Fürbitte oder eine andere Geste der Wiedergutmachung zu machen.“ Geldspenden an die Kirche werden im Übrigen nicht als Wiedergutmachung akzeptiert. Das schließt auch Pock aus: „Das ist eine längst überwundene, mittelalterliche Praxis. Die Beichte ist völlig gratis und hoffentlich nicht umsonst.“

Terroristen, Bankräuber, Mörder kommen übrigens eher nicht nach St. Stephan zur Beichte, sagt Faber: „Es kommen durch die Bank alle, die etwas auf dem Herzen haben. Seien es Probleme in der Beziehung, mit anderen Generationen, mit dem Fremden oder einfach mit sich selbst.“ Vor allem dann, wenn es hart auf hart kommt, sei die Kirche noch immer gefragt.

Florian Kobler und Michael Hammerl, wien.ORF.at

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