20 Jahre Haft für Ex-Boxer nach Mord

Ein ehemaliger Boxer ist am Montag wegen Mordes zu 20 Jahren Haft verurteilt worden. Der in Wien lebende Tschetschene sagte vor Gericht, er sei angegriffen worden und habe aus Notwehr auf einen 21-Jährigen eingestochen.

Der Schuldspruch der Geschworenen fiel mit 6 zu 2 Stimmen im Sinn der Anklage aus. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Wie Gerichtssprecherin Christina Salzborn unmittelbar nach der Urteilsverkündung um 23.20 Uhr bekannt gab, erbat Verteidiger Rudolf Mayer Bedenkzeit. Staatsanwältin Viktoria Berente gab vorerst keine Erklärung ab.

Der 22-jährige Angeklagte soll in Ottakring einen 22-Jährigen mit einem Klappmesser vorsätzlich getötet und einen um drei Jahre älteren Mann lebensgefährlich verletzt haben. Der gebürtige Tschetschene, der seit seinem zehnten Lebensjahr in Österreich lebt, war in der Nacht auf den 1. Oktober 2017 mit seinem Cousin und zwei afghanischen Freunden unterwegs.

Der Angeklagte vor Beginn eines Prozesses wegen Mordes

APA / Roland Schlager

„Ich habe mich nur verteidigt“, sagte der Anklagte zum Prozessstart

Auf einem Bahnsteig an der U6-Station Thaliastraße traf die Gruppe laut Anklage auf drei junge Serben, mit denen es aus nichtigem Anlass zu einem zunächst verbalen Disput kam. Die Serben hatten eine junge Frau unwirsch weggewiesen, die sie um eine Zigarette gebeten hatte. Die anderen Männer kannten die Frau vom Sehen, sie hatten sie unmittelbar zuvor vor einer Diskothek kennengelernt. Sie dürften für sie Partei ergriffen und damit die Serben gegen sich aufgebracht haben.

Videoüberwachung zeigt Gewalt

Das Bildmaterial aus den Überwachungskameras der Wiener Linien belegt laut Anklage, dass die Aggression von den Serben ausging. Nach einem kurzen Wortgefecht gingen zwei von ihnen auf den Cousin des Angeklagten los, der einen Faustschlag kassierte und zu Boden ging. Als sich der Schläger dem 22-jährigen Tschetschenen zuwandte und diesen in offensichtlich gewalttätiger Absicht gegen die Wand drückte, zückte dieser ein Klappmesser und versetzte dem 22-Jährigen acht Stiche.

Mordprozess: Ex-Boxprofi spricht von Notwehr

Ein Ex-Boxer hat sich am Montag wegen Mordes vor Gericht verantworten müssen. Er habe aus Notwehr gehandelt, sagte er vor Gericht.

Einer ging in die Lunge, einer verletzte die Arterie. Der Bewaffnete brachte dem Gleichaltrigen auch noch eine klaffende Schnittwunde am Hals bei. Dem zweiten Angreifer rammte er danach das Messer drei Mal in die Brust und zwei Mal in die rechte Achselhöhle - mehr dazu in Ein Toter nach Messerstecherei.

Staatsanwältin betont Gewaltbereitschaft

Er habe „wie wild auf die Männer eingestochen“, betonte die Staatsanwältin in ihrem Eingangsplädoyer. Sie bescheinigte dem Angeklagten eine „unermessliche Gewaltbereitschaft“, dieser habe „aus unkontrollierter Wut und Aggression gehandelt“. Damit brachte sie den Verteidiger gegen sich auf. „Es war keine aggressive Messerattacke. Es war eine Verteidigung“, korrigierte der Anwalt.

Sein Mandant habe zunächst tatenlos zugesehen, als sein Cousin niedergeschlagen wurde. Erst als einer der ihm körperlich deutlich überlegenen Angreifer auf ihn losging, habe er sein Verhalten geändert. Der Tschetschene misst eigenen Angaben zufolge 1,72 Zentimeter und bringt 70 Kilogramm auf die Waage. Die beiden Serben waren dagegen über 1,90 groß und über 90 Kilogramm schwer.

Messerstecherei Ottakring U6

ORF

Der Tatort am Lerchenfelder Gürtel in Ottakring

Angeklagter: „Ich habe mich nur verteidigt“

„Ich habe mich nur verteidigt, weil ich nicht wusste, was passieren wird“, gab der 22-jährige Tschetschene zu Protokoll. Auf die Frage der vorsitzenden Richterin Claudia Zöllner, weshalb er als Boxer nicht von seinen Fäusten Gebrauch gemacht hätte, meinte der 22-Jährige: „Ich habe Angst gehabt. Die waren so riesig und stark. Ich dachte, wenn ich schlage und die nicht richtig treffe, dass die nicht umfallen, bringen die mich um.“ Er habe „nicht gezielt gestochen. Es war so schnell.“ Aus Angst und weil weiter auf ihn eingeschlagen wurde, habe er „so oft gestochen“.

Boxkarriere als „The Hunter“

Bis zu seiner Festnahme hatte der Tschetschene seit sieben Jahren in einem Wiener Boxverein trainiert. Der Website Boxrec zufolge, die sämtliche Profi-Boxer weltweit auflistet, hat der 22-Jährige unter dem Kampfnamen „The Hunter“ drei Kämpfe bestritten, zuletzt im April 2017 im Hamburg, wo er eine Niederlage bezog. Danach beendete er offiziell seine Karriere.

Von der Richterin auf seine sportlichen Ambitionen angesprochen, meinte der Angeklagte: „Ich habe das nur als Hobby gemacht.“ Beruflich sei er drei Jahre in einem Supermarkt an der Kassa gesessen, ehe er im Vorjahr kündigte: „Ich hatte Kreuzschmerzen vom Sitzen.“ Er habe sich daher eine Stelle als Lagerarbeiter suchen wollen.