Van der Bellen will „Makel beseitigen“

Alexander Van der Bellen wird im Gemeinderat Nachfolger von Sigrid Pilz. Seine Tätigkeit als Uni-Beauftragter beendet er. Dass er das Mandat nicht unmittelbar nach der Gemeinderatswahl angenommen hatte, nannte er einen „Makel“.

Bei der Gemeinderatswahl 2010 hatte der frühere Bundessprecher der Grünen einen aus seiner Sicht „erstaunlich erfolgreichen Vorzugsstimmenwahlkampf“ geführt, sich aber schließlich doch entschlossen, im Nationalrat zu bleiben: „Das hat mich beschäftigt die letzten 18 Monate.“ Nun wolle er mit seinem Einzug ins Rathaus diesen Makel beseitigen.

Van der Bellen hatte im Wahlkampf 2010 mit knapp 12.000 Vorzugsstimmen den Sprung vom unwählbaren 29. auf den ersten Listenplatz geschafft. „11.952 Wienerinnen und Wiener werden in den Gemeinderat einziehen“, freute sich demnach Klubchef David Ellensohn heute.

Alexander Van der Bellen bei einer Pressekonferenz im Juni 2012

APA/Georg Hochmuth

Alexander Van der Bellen zieht für die Grünen in den Wiener Gemeinderat ein

Schwerpunkt auf Bildungsagenden

Als Wiener Abgeordneter möchte sich Van der Bellen vorrangig den Bildungs- und Forschungsagenden widmen. Seinen derzeitigen ehrenamtlichen Job als Uni-Beauftragter der Stadt wird der 68-Jährige allerdings an den Nagel hängen. Diese Aufgabe sei mit dem Mandat im Stadtparlament nicht vereinbar, begründete er dies. Es gebe jedenfalls die Übereinkunft mit Bürgermeister Häupl (SPÖ) und Vizebürgermeisterin Vassilakou, dass diese „wichtige Funktion“ erhalten bleibe, allerdings neu zu besetzen sei.

Offiziell angelobt wird Van der Bellen im September in der ersten Gemeinderatssitzung nach der Sommerpause. Seine Arbeit will er allerdings bereits im Juli aufnehmen. Der Noch-Nationalratsabgeordnete folgt Sigrid Pilz nach, die als neue Patientenanwältin aus dem Stadtparlament ausscheidet. Sie tritt ihr Amt im Juli an. Die Gesundheitsagenden werden im Klub der Grünen von Jennifer Kickert übernommen.

Abschied vom Parlament nach 18 Jahren

Van der Bellen gestand sich am Donnerstag einen „leicht wehmütigen Blick zurück“ auf 18 Jahre Parlamentsarbeit ein - allerdings: „Ich freue mich auf das Neue im Rathaus, es ist ja nicht irgendein Rathaus“, verwies er auf die „spannende Stadt“ Wien.

Außerdem habe er im Nationalrat fast zwei Jahrzehnte lang Oppositionsarbeit gemacht. „Jetzt komme ich in eine Regierungsfraktion, wobei sich das Klima zwischen den Koalitionsparteien noch dazu völlig anders darstellt als im Bund, wo die täglichen Knirschstellen unüberhörbar sind“, lobte Van der Bellen die rot-grüne Zusammenarbeit.

Von Journalisten gefragt, ob er auch nach Wien gewechselt wäre, wenn es keine grüne Regierungsbeteiligung gebe, antwortete der Professor nach kurzem Zögern mit „Ich glaube schon.“ Van der Bellens Mandat im Nationalrat übernimmt der AK-Budgetexperte Bruno Rossmann.

Vassilakou: „Großer Gewinn“

Naturgemäß erfreut über die Personalrochade zeigte sich Vizebürgermeisterin Vassilakou. Der personelle Zuwachs sei „ein großer Gewinn“ für den Wiener Gemeinderat, die Grünen und die Wiener selbst, versicherte sie. Denn: „Alexander Van der Bellen war in jeder seiner Positionen - als Nationalrat, Klubobmann und zuletzt auch als Uni-Beauftragter der Stadt Wien - hoch angesehen und für seine Kompetenz und inhaltliche Sachlichkeit geschätzt.“

Elf Prozent für Grüne als größter Erfolg

Van der Bellen kandidierte 1992 erstmals für die Grünen für das Amt des Rechnungshofpräsidenten, 1994 wurde er Nationalratsabgeordneter. Drei Jahre später trat er schließlich sein Amt als Bundessprecher an - damals mit dem Ziel, „die Partei endlich einmal von dieser existenzbedrohenden Vier-, Fünf-Prozent-Marke wegzubekommen“.

Zwischen Tirol und Wien

Geboren wurde der humorige Wirtschaftsprofessor am 18. Jänner 1944 in Wien als Sohn einer estnischen Mutter und eines russischen Vaters. Aufgewachsen im Tiroler Kaunertal, absolvierte Van der Bellen das Volkswirtschaftsstudium in Innsbruck und unterrichtete als Uni-Professor sowohl in Innsbruck als auch in Wien.

Im Laufe seiner elfjährigen Funktion als Bundessprecher ist Van der Bellen dies - neben der strukturellen Konsolidierung einer bis dahin stark zerstrittenen Bewegung - auch gelungen. Stand die Partei zu Beginn gerade einmal bei 4,8 Prozent, überholten die Grünen bei der Nationalratswahl 2006 mit elf Prozent knapp die FPÖ und wurden drittstärkste Kraft im Land. Dies war sein größter Erfolg. Beim Urnengang 2008 verlor man Stimmen, worauf Van der Bellen ging, als Sprecher für Internationale Entwicklungen und Außenpolitik jedoch weiterhin im Parlament werkte. Seine womöglich größte politische Niederlage erlitt Van der Bellen im Jahr 2002, als die schwarz-grünen Koalitionsverhandlungen platzten.

Kritische Kommentare der Opposition

Die Reaktionen der Wiener ÖVP und FPÖ auf den Einzug von Van der Bellen ins Stadtparlament fielen erwartungsgemäß kritisch aus. Er „fliehe vor dem Unvereinbarkeitsausschuss“, so die FPÖ in einer Aussendung. Nach wie vor sei ungeklärt, ob seine Tätigkeit als Hochschulbeauftragter der Stadt Wien mit seiner Abgeordnetentätigkeit vereinbar gewesen sei.

Es sei zu hoffen, dass Alexander van der Bellen der Chaostruppe um Vassilakou, Ellensohn und Co. ins Ruder greift und dafür sorgt, dass die Grünen zu einer Politik der Vernunft zurückkehren, hieß es hingegen von der ÖVP. Es könne nur besser werden.

Erstmals Frau als Patientenanwältin

Sigrid Pilz wird ab 1. Juli neue Wiener Pflege- und Patientenanwältin und ist die erste Frau in dieser Funktion - mehr dazu in Sigrid Pilz neue Patientenanwältin.

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