Dolmetscher für Gehörlose im Uni-Hörsaal

Für Gehörlose ist das Studieren an Wiens Universitäten eine schwierige Angelegenheit. Mit dem Start des Pilotprojekts GESTU im Jahr 2010 verbesserte sich die Situation. Gebärdendolmetscher werden für Vorlesungen organisiert, Studenten schreiben für ihre gehörlosen Kollegen mit.

Das Pilotprojekt ist mit Juni ausgelaufen, nun soll GESTU bis 2015 verlängert werden, kündigte Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) an. Insgesamt gibt es in Österreich derzeit rund 30 gehörlose Studenten. Im Wintersemester 2011/12 haben 14 Studenten an GESTU teilgenommen, zwölf von ihnen an der Uni Wien.

Ausweitung auf ganz Österreich denkbar

Nur fünf bis zehn der gehörlosen Studenten studieren außerhalb von Wien - „wegen der größeren Barrieren“ in den Bundesländern, wie Alexander Karla-Hager vom Verein Österreichischer Gehörloser Studierender betonte. Er wünscht sich deshalb eine Ausweitung von GESTU auf ganz Österreich und eine dauerhafte Etablierung des Projekts.

Für Töchterle ist das prinzipiell denkbar: Wenn eine Vernetzung mit anderorts bestehenden Projekten konkrete Verbesserungen bringen würde, „kann man darüber nachdenken“. Er betonte, dass die Unis sich der „sehr anspruchsvollen Aufgabe“ stellen würden, das Studium für behinderte Studenten barrierefrei oder zumindest barrierearm zu gestalten, damit ein Studium in annehmbarer Zeit möglich wird. „Die Universitäten sind nicht am Ziel, aber sie sind auf dem Weg.“

Studiendauer lag zuvor bei bis zu 20 Jahren

Vor Beginn von GESTU habe es nur wenige gehörlose Hochschulabsolventen gegeben, berichtete Psychologin Barbara Hager. Die Studiendauer lag bei bis zu 20 Jahren. So konnte sie selbst vor GESTU nur bei einer Lehrveranstaltung pro Woche einen Dolmetscher mitbringen, obwohl die Gebärdensprache die Muttersprache der Gehörlosen und seit 2005 auch in der Verfassung verankert sei.

Für sie ist trotz GESTU noch immer genug zu tun: So gebe es in Wien keinen Lehrstuhl zu Gebärdensprache und an den PH können Gehörlose wegen der per Gesetz vorgeschriebenen „körperlichen Eignung“ nur als außerordentliche Studenten zugelassen werden.

Servicestelle vermittelt Dolmetscher und Tutoren

Die Organisation von GESTU läuft über eine Servicestelle an der Technischen Uni (TU) Wien, die Dolmetscher oder Tutoren bzw. in manchen Fällen auch technische Hilfsmittel vermittelt. Weitere Aufgabe ist die Information der Lehrenden.

Das Resümee der TU Wien nach zwei Jahren Modellversuch fällt sehr positiv aus: Es seien „ganz wesentliche Verbesserungen im Studienablauf“ zu beobachten, so der Vizerektor für Lehre, Adalbert Prechtl. Insgesamt ist das Projekt laut Prechtl nicht billig: Nimmt man an, dass zwölf gehörlose und vier schwerhörige Studenten betreut werden, kostet GESTU 250.000 Euro pro Semester.

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