Brandsteidl fürchtet um Zentralmatura

Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl (SPÖ) hält die Proteste gegen den Beurteilungsschlüssel bei der Englisch-Zentralmatura für „völlig verständlich“ und fürchtet um die Zentralmatura. Das Bildungsministerium hält an dem Schlüssel fest.

Bei der am Dienstag durchgeführten Englisch-Zentralmatura mussten für eine positive Beurteilung 63 Prozent der Punkte erreicht werden. Bei den bisherigen Durchgängen waren es dagegen stets 60 Prozent gewesen - die Lehrer erfuhren von dieser Änderung erst, als ihnen am Dienstag Nachmittag der Korrekturschlüssel übermittelt wurde.

„Ich kann nicht im Nachhinein Spielregeln ändern“, so Stadtschulratspräsidentin Brandsteidl zur APA. Die Heraufsetzung der Grenze für ein „Genügend“ von 60 auf 63 Prozent der Punkte sei „unhaltbar“ und müsse sofort zurückgenommen werden, so Brandsteidl.

Susanne Brandsteidl bei Interview

APA/Helmut Fohringer

Susanne Brandsteidl im April vor einem Schulgipfel im Bildungsministerium

Bifie: 60 Prozent nur „Richtwert“

Im Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie), das die Zentralmatura abwickelt, argumentierte man damit, dass die 60 Prozent immer nur als „Richtwert“ gegolten hätte, der je nach Schwierigkeitsgrad der Aufgaben variieren könne. Darüber sei auch informiert worden - zuletzt im April via Schulleitungen und -aufsicht. Da heuer die Aufgaben etwas leichter gewesen seien, müssten mehr Punkte erreicht werden.

Brandsteidl forderte Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) zum Eingreifen auf. „Man kann so die Zentralmatura zu Grabe tragen“, fürchtet sie. Mit den Schülervertretern habe man sich nach langen Verhandlungen auf die 60-Prozent-Grenze geeinigt, auch die Übungsbeispiele im Internet seien immer darauf ausgelegt gewesen.

Laut Brandsteidl sei auch im Fach Französisch, das am Donnerstag abgeprüft wird, eine solche Änderung geplant. Kritik übte sie auch daran, dass der Beurteilungsschlüssel bei den Aufgaben nicht angegeben gewesen sei: „Das lerne ich schon in Pädagogik 1, dass ich den Schlüssel mitschicken muss.“ Bifie-Direktor Martin Netzer will Lehrer künftig früher informieren, gemeinsam soll eine bessere Vorgangsweise erarbeitet werden. „Lehrer sollen mehr Sicherheit bekommen“, so Netzer im Ö1-Morgenjournal.

Ministerium: Benotungsschlüssel bleibt

Das Bildungsministerium hält am von Lehrer- und Schülervertretern kritisierten Benotungsschlüssel für die Englisch-Zentralmatura fest. Dieser sei „nicht spontan verschärft worden“, hieß es auf APA-Anfrage. Allerdings hätte das Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie) nochmals über die Bewertungskriterien informieren müssen.

„Man findet für die Matura keine Texte, die exakt gleich schwer sind“, so eine Ministeriumssprecherin. Für die heurige Reifeprüfung sei ein Aufgabenpaket ausgewählt worden, das etwas leichter gewesen sei. Um die Vergleichbarkeit der Noten über mehrere Jahre zu gewährleisten, sei der Beurteilungsschlüssel angepasst worden. Dies wäre auch nicht im Nachhinein erfolgt, vielmehr sei diese Möglichkeit schon im Vorfeld bekannt gewesen.

Darüber seien sowohl Schülervertreter als auch AHS-Direktoren und Schulaufsicht informiert worden. In den Bifie-Info-Materialien heißt es auch tatsächlich, dass für ein Genügend insgesamt „mindestens 60 Prozent“ der Punkte zu erreichen sind - mit der Fußnote: „Dieser Wert kann in Abhängigkeit vom Schwierigkeitsgrad der Aufgaben geringfügig variieren.“

Brief soll Information nachholen

In den im April an die Direktionen versendeten „Erläuterungen zur Benotung“ findet sich ebenfalls ein ähnlicher Passus: „Die Schwelle zwischen ‚Nicht genügend‘ und ‚Genügend‘ im Notenschlüssel beträgt ungefähr 60 (entspricht 60 Prozent bei einer maximal erreichbaren Anzahl von 100 gewichteten Punkten). Der tatsächliche Betrag der Notenschwellen unterliegt jedoch je nach Schwierigkeit der in den Klausurheften enthaltenen Aufgaben leichten Variationen.“

Dieser Hinweis hat sich aber offenbar nicht bis zu den Englisch-Lehrern durchgesprochen. Der Passus gilt übrigens für alle Reifeprüfungen in den lebenden Fremdsprachen - also auch Französisch, Italienisch und Spanisch.

In einem Brief an die AHS-Direktoren versucht das Ministerium jetzt die Information nachzuholen. Dort heißt es etwa: „Für die Benotung der Matura in einer lebenden Fremdsprache gibt es daher einen flexiblen Beurteilungsschlüssel, da es schwer möglich ist, Aufgabenstellungen zu finden, die bei jedem Maturatermin den exakt gleichen Schwierigkeitsgrad aufweisen.“ Deshalb liege die Schwelle für eine positive Beurteilung diesmal bei 63 Prozent: „Das ist korrekt und entspricht dem neuen Benotungsprinzip, das Anforderungsniveau der Matura insgesamt ändert sich dadurch nicht.“

Direktorenverein: Zu wenig Info

Der Wiener Direktorenverein hält diese Info für nicht ausreichend. Die „testpsychometrische“ Begründung des Bifie für die unterschiedlichen Notenschwellen sei wegen der besseren Vergleichbarkeit der Noten zwar nachvollziehbar. „Nicht nachvollziehbar für uns ist es jedoch, dass dieses nicht unwesentliche Detail nicht oder zumindest bei weitem nicht ausreichend rechtzeitig kommuniziert worden ist“, hieß es am Donnerstag.

Für den Sprecher des gesamtösterreichischen Verbands der AHS-Direktoren, Wilhelm Zillner, ist „das Problem kein sachliches, sondern ein kommunikatives.“ Wenn man die Info-Materialien des Bifie im Nachhinein durchforste, seien natürlich Hinweise auf die Vorgehensweise vorhanden gewesen. Dass die Notenschwelle jetzt aber genau von 60 auf 63 Prozent hinaufgesetzt werde, sei explizit nie Thema gewesen.

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