Welche Zootiere verhüten müssen
Große Freude im Tiergarten Schönbrunn: Vor neun Jahren erblickten die drei Löwenjungtiere Kyogo, Malindi und Malawi das Licht der Welt. Das Löwenrudel war für den Zoo perfekt, weiterer Nachwuchs war nicht geplant. Da Löwen nicht mehr zu bedrohten Tierarten zählen und es genug Löwen in Zoos gibt, wurden die Weibchen in Schönbrunn danach kastriert. Die Männchen wurden verschont, weil sie sonst unter anderem ihre Mähne verlieren würden.
Norbert Potensky
Fledermäuse werden kastriert
Ein anderes Beispiel: Das Borkenrattenweibchen zog in den vergangenen zwei Jahren in Schönbrunn sechs Jungtiere erfolgreich groß. Auch im Vorjahr brachte das Weibchen zwei Junge zur Welt. Doch sie war schon zu alt, um den Nachwuchs zu versorgen. Die Jungtiere überlebten nicht. Daher wurde dem Weibchen ein Verhütungsimplantat gesetzt.
Und diese Woche werden rund fünfzig männliche Fledermäuse kastriert. „Die südamerikanischen Brillenblattnasen vermehren sich sehr gut, eigentlich zu gut, könnte man sagen. Im Regenwaldhaus können natürlich nicht unendlich viele leben. Chemisch ist die Verhütung nicht zu machen, da man nicht gewährleisten kann, dass alle Fledermäuse etwas davon bekommen“, erklärt Zootierarzt Thomas Voracek.
Jutta Kirchner
Von der Pille bis zum Implantat
Um die Fortpflanzung der Tiere zu kontrollieren, hat der Tiergarten mehrere Möglichkeiten: Neben der dauerhaften Verhütung durch Kastration oder Sterilisation gibt es auch die temporäre Verhütung, also die „Pille“ oder Implantate - vergleichbar mit der Dreimonatsspritze beim Menschen.
Tiergarten Schönbrunn
Bei Einzelgängern ist es auch möglich, sie während der Paarungszeit getrennt zu halten. Erlaubt es die Sozialstruktur, werden manche Tieren auch gleichgeschlechtlich gehalten. Reine Männergruppen gibt es in Schönbrunn etwa bei den Flachlandtapiren und Benettkängurus.
Zuchtbuchführer entscheidet
Es gibt viele verschiedene Gründe, warum Tiere verhüten bzw. Zoos die Fortpflanzung steuern müssen. Zoos müssen langfristig genetisch gesunde Populationen erhalten. Der Platz in den Gehegen ist aber begrenzt. Manche Tierarten sind auch in Erhaltungszuchtprogrammen. Das heißt, ein Zuchtbuchführer entscheidet, wie die Tiere innerhalb der Zoos getauscht werden, und wo Nachwuchs erwünscht ist und wo nicht. Wichtig sei auch, dass „die demografische Entwicklung einer Population der klassischen Alterspyramide entspricht“, so Voracek, „also dass genug Weibchen und Männchen in den Altersklassen der zuchtfähigen Tiere vorhanden sind“.
Generell müssen aktuell nur sieben Tierarten in Schönbrunn verhüten. „Es gibt auch viele Arten, bei denen wir gerne Nachwuchs hätten, aber es bis jetzt noch nicht oder schon lange nicht mehr geklappt hat: zum Beispiel bei Brillenbär, Nashorn, Dik-Dik und Zwergotter“, so Voracek.
ORF
Laut Voracek bereichert Fortpflanzung - mit Werbung, Paarbindung, Mutter-Kind-Beziehung, Sozialisation der Jungtiere durch die Erwachsenen und umgekehrt - das Leben der Tiere auch wesentlich und ist daher ein wichtiger Bestandteil in der Zootierhaltung. Wann immer es verantwortbar sei, solle sie daher ermöglicht werden.
Daniel Zupanc
Verhütung klappt nicht immer
Wie beim Menschen gibt es auch bei Tieren keine hundertprozentige Erfolgsgarantie bei Verhütung. Auch in Schönbrunn gibt es „Pillenkinder“. 2015 gab es etwa bei den Robben - trotz Verhütung - Nachwuchs. Inzwischen wurde für das junge Weibchen Lorin aber ein neuer Platz im Zoo München gefunden. Voracek: „Mittlerweile ist die Mähnenrobbengruppe wieder so zusammengesetzt, dass wir wieder züchten dürfen. Es wird also nicht mehr verhütet.“
Florian Kobler, wien.ORF.at