Ottakringer Häuserblock vernetzt sich
Es klingt ein wenig nach einem Luxusbauvorhaben, wenn der Architekt Florian Niedworok von seinem neuen Projekt erzählt. Geplant seien unter anderem begrünte Fassaden, ein Musik- und Theaterproberaum, Photovoltaikanlagen, Coworking Spaces, Gästezimmer und Elektroautos. Tatsächlich, soll hier aber nichts gebaut, sondern ein neues Stadtplanungskonzept erprobt werden.
In Ottakring wollen vier benachbarte Hauseigentümer und dessen Bewohnerinnen und Bewohner künftig Räume und Flächen gemeinsam nutzen, um für alle Beteiligten mehr Lebensqualität zu schaffen. Nach dem Motto „Wer teilt, bekommt mehr“, werden Dächer zu einem großen Dachgarten umgebaut und ein gemeinsames Stromnetz eingerichtet. „Das hat Vorteile für Eigentümer, Bewohner, Investoren und das ganze Viertel“, so die Projektplaner.
Nutzen ist das neue Besitzen
Vom Nachmachen des Schlüssels bis zum Zusammenlegen der Innenhöfe: Die Möglichkeiten des liegenschaftsübergreifenden „Sharings“ lassen Raum für Kreativität. Das Planungskonzept „Pocket Mannerhatten“ bietet dabei einen Baukasten an Ideen, wie Teilen gestaltet werden kann. Einige Maßnahmen sind leicht umsetzbar, bei anderen bewege man sich in einer rechtlichen „Grauzone“, so die Projektmanagerin Julia Beck. Die Umsetzung hänge allerdings nicht nur von der Machbarkeit, sondern von den Wünschen und Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner ab.
Pocket Mannerhatten
Teilen bringt Menschen zusammen – führt aber gelegentlich auch zu Konflikten. Nicht jeder findet begrünte Fassaden oder Partykeller gut. Und auch die Wohnideale des Studenten könnten andere sein als die des Arbeiters. Umso wichtiger ist Kommunikation, weiß Niedworok. Deshalb finden im Zuge des Projekts auch regelmäßige Treffen statt. Bewohner und Hauseigentümer sollen sich dabei über Nutzung der gemeinschaftlichen Flächen austauschen.
Nachhaltige Stadtplanung
Um weitere Wohnhauseigentümer für die Sharing-Idee zu gewinnen, haben die Projektplaner zusammen mit der Stadt Wien ein sogenanntes Bonus-System entwickelt. Das Engagement der Eigentümer soll künftig mit finanziellen Zuschüssen, Darlehen oder Nutzungsrechten honoriert werden können. Unterstützt wird das Projekt auch durch den Klima- und Energiefonds im Rahmen des Smart City Programms der Stadt Wien.
Pocket Mannerhatten
Das Interesse der Stadt an dem Konzept liegt auf der Hand: Die Stadtentwicklung in Wien, aber auch in jeder anderen europäischen Großstadt, steht vor der Herausforderung einer wachsenden Urbanisierung. Ein Umstand, der in Architektenkreisen das Reizwort „Nachverdichtung“ aufwirft. Das heißt so viel wie: Die Stadt soll höher, dichter und bewohnbarer statt grüner werden.
Weitere Projekte geplant
Ein weiterer Trend: Während Wohnraum immer knapper wird, steigen gleichzeitig die Ansprüche an die Lebensqualität. „Öffentliche Infrastrukturen wie Parks können zu klein sein um Naherholungsbedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen“, sagt die Projektmanagerin. Private Freiräume innerhalb Wohnbauten wirken in dem Fall ausgleichend und leisten einen Beitrag zum Gemeinwohl der Bewohner.
Im Oktober sollen erste Ergebnisse zu dem Pilotprojekt veröffentlicht werden. Sollte sich das Pilotprojekt in Ottakring als erfolgreich erweisen, ist die Umsetzung in anderen Stadtteilen Wiens geplant. Laut Niedworok gibt es bereits einige Interessenten.