Kind bei Fenstersturz getötet: Prozess vertagt

Der Prozess um den tödlichen Fenstersturz eines viereinhalbjährigen Buben ist auf den 12. Dezember vertagt worden. Das Gericht will noch die beiden Mitarbeiterinnen des Jugendamtes hören, die die Angeklagten betreuten.

In Wien sind am Donnerstag der Vater und die Stiefmutter eines kleinen Buben vor Gericht gestanden, der am 26. April in der Donaustadt aus dem siebenten Stock in die Tiefe gestürzt und gestorben ist. Sie mussten sich wegen gröblicher Vernachlässigung vor einem Schöffensenat verantworten - mehr dazu in Vierjähriger stirbt nach Fenstersturz.

Vernommen wurde auch die leibliche Mutter des ums Leben gekommenen Kindes, die von beiden zusammen 25.000 Euro Trauerschmerzensgeld sowie die Abgeltung der Begräbnis- und Steinmetzkosten verlangte. „Das ist für mich Mord“, warf sie dem Vater und der Stiefmutter vor. Man könne ein Kind nicht allein in einem Raum lassen, wenn das Fenster offen stehe.

Wohnhaus im 22. Bezirk

ORF/Lukas Lattinger

Der Vierjährige stürzte aus dem siebenten Stock des Wohnhauses

Vater: „Aufsichtspflicht nicht verletzt“

Die Anklage legte den beiden zur Last, den Buben ins Kinderzimmer geschickt und dort unbeaufsichtigt gelassen zu haben, obwohl das Fenster weit offen stand. „Wir haben ein Ritual, dass wir dreimal täglich lüften. Wegen der Hunde und der Katzen“, gab dazu der 28-Jährige an.

Aus Sicherheitsgründen habe er den Fenstergriff im Kinderzimmer abmontiert, um sicherzustellen, dass sein Sohn aus einer vorangegangenen Beziehung das Fenster nicht eigenmächtig öffnen konnte. Der Bub war hyperaktiv, Ärzte hatten bei ihm außerdem eine Entwicklungsverzögerung festgestellt, so dass die Patchwork-Familie vom Jugendamt betreut wurde.

Angeklagtes Paar unter Aufsicht von Jugendamt

Ein eineinhalb Jahre altes Kind war ihnen bereits vom Jugendamt abgenommen worden. Hinsichtlich des Vierjährigen wurde aber seitens der Behörde davon ausgegangen, dass sich die beiden hinreichend um den Buben kümmerten. Eine Sozialarbeiterin war noch wenige Stunden vor dem tödlichen Sturz in der Wohnung. Sie fand dort auf eher beengten Verhältnissen fünf Haustiere vor, hatte bei ihrer Visite aber keinen Grund zu Beanstandungen gesehen.

Der Vater des Buben gab vor Gericht an, sich nicht schuldig zu fühlen. Er habe seine Aufsichtspflicht nicht verletzt, meinte seine Verteidigerin. Anders die 28-jährige Lebensgefährtin. Sie war zur Anklage geständig: „Ich bekenne mich schuldig dafür, dass ich ihn reingeschickt und nicht reingeschaut habe.“ Sie habe „immer Angst vor diesem Fenster gehabt“.

Der Bub dürfte über einen Kasten oder einen Sessel auf die Fensterbank gelangt sein. Vermutlich fiel zunächst Spielzeug des Kindes - ein Stofftier und ein Ball - in die Tiefe. Möglich, dass der Vierjährige danach greifen wollte und dabei das Gleichgewicht verlor. Neben dem Körper wurde am Betonboden übrigens auch die abmontierte Fensterschnalle sichergestellt.