Verlobte erstochen: Lebenslang

Ein 40-jähriger Mann, der vergangenen September seine Verlobte erstochen hat, ist am Dienstag am Wiener Landesgericht zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Der Schuldspruch wegen Mordes fiel einstimmig aus.

Der Verurteilte war damit nicht einverstanden. „Die Strafe ist zu hoch“, sagte er und meldete Berufung an. Das Urteil ist damit nicht rechtskräftig. Nach der Urteilsverkündung sorgte der gebürtige Iraker, der sich zum Tatzeitpunkt eigentlich außerhalb der Landesgrenzen befinden hätte müssen - nach zwei Verurteilungen war ihm im Mai 2017 das Aufenthaltsrecht entzogen worden, nachdem er zuvor schon einen ersten rechtskräftigen Abschiebebescheid ignoriert und einen erneuten Asylantrag gestellt hatte - für Irritation.

„Ich kann nicht mehr in meine Heimat zurückkehren“, sagte er angesichts der über ihn verhängten Höchststrafe. Die vorsitzende Richterin Eva Brandstetter kündigte darauf an, sie werde dem Bundesverwaltungsgerichtshof diese Wortmeldung zur Kenntnis bringen, wo sich der Mann gegen die Aberkennung seines Bleiberechts beschwert hatte.

Angeklagter hält sich Mappe vors Gesicht

APA/ Hans Punz

Angeklagter war bereits verurteilt

Der Verurteilte, der sich während des Ermittlungsverfahrens nicht zur Bluttat geäußert hatte, hatte am Dienstag vor Gericht überraschend eine Notwehrsituation geltend gemacht. Er sagte, die 50-Jährige habe ihn zunächst aus dem Fenster stoßen und dann „abstechen“ wollen. Da sei er wütend geworden. Die Geschworenen schenkten der vom Angeklagten behaupteten Notwehrsituation keinen Glauben.

„Ich wollte sie nicht umbringen“

„Sie war eine sehr, sehr gute Frau für mich“, so der Angeklagte eingangs der Verhandlung. Als er im vergangenen Sommer bei ihr eingezogen war, sei sie aber zusehends aggressiv geworden. Sie habe mit ihm keinen Sex mehr haben wollen und einen anderen Mann gehabt. Er habe sich von ihr aber nicht trennen können, weil er mit ihr nach islamischem Recht verheiratet war, sagte der Mannr, der 2004 mit seinen Eltern nach Österreich geflüchtet war. Außerdem habe er „diese Frau sehr geliebt“.

„Sie hat versucht, mich dauernd zu beleidigen“, so der Angeklagte. „Du hast auf der Brust keine Haare“, habe die um zehn Jahre ältere Frau immer wieder gesagt, „du bist kein richtiger Mann“. Weil sie am 8. September einen anderen Mann in ihrer Wohnung in der Leopoldstadt erwartete und er diese nicht verlassen wollte, habe sie ihm von hinten einen Stoß gegeben, „damit ich aus dem Fenster falle“.

Einstimmiger Schuldspruch in Mordprozess

Das Geschworenengericht sprach den Angeklagten einstimmig schuldig. Das Strafausmaß: Lebenslange Haft.

Als ihr das nicht gelang, habe sie ein Messer gezückt: „Sie wollte mich mit dem Messer abstechen. Ich habe gesagt, bitte gib mir das Messer.“ Er habe Angst gehabt, sei dann aber zornig geworden: „Ich war ganz blind.“ Dann habe er schon „Blut gesehen“. „Ich wollte sie nicht umbringen“, versicherte der Mann.

Zeugenaussagen widersprechen Darstellung

Diese Darstellung widersprach der Anklage, die sich auf Zeugen und die Spurenlage am Tatort stützte. Derzufolge fand sich auf drei verschiedenen Küchenmessern das Blut der Getöteten. Ein Hausbewohner hatte wiederum vom Stiegenhaus aus gesehen, wie der bewaffnete Angeklagte bei geöffneter Wohnungstür auf die Frau losging, die verzweifelt um Hilfe schrie. „Rettet mich! Er will mich abschlachten!“, brüllte die Frau.

Der Anklage zufolge ließ der Mann selbst dann nicht von der 50-Jährigen ab, nachdem sie rücklings zu Boden gestürzt war. Wie die Obduktion ergab, fügte er ihr vier tiefe Stichwunden im Hals- und Brustbereich und acht Schnitt- und Stichverletzungen am Oberbauch und an der Flanke zu. Die 50-Jährige erstickte an ihrem eigenen Blut, bevor die von Hausbewohnern alarmierten Rettungskräfte eintrafen.

Anklage: Frau wollte Beziehung auflösen

Der Mann war erst wenige Wochen zuvor bei der Frau eingezogen. Obwohl sie ihm das Ja-Wort geben wollte, kam es immer wieder zu Streitigkeiten. Nachbarn beschwerten sich, weil ihre Kinder aufgrund der lautstark geführten Auseinandersetzungen nicht schlafen konnten. Der 50-Jährigen soll es nicht gepasst, dass ihr Partner untätig zu Hause saß, dem Alkohol zusprach und Cannabis konsumierte, während sie arbeiten ging. Sie habe sich schließlich von ihm trennen wollen, was sie mit ihrem Leben bezahlt habe, sagte Staatsanwältin Julia Koffler-Pock.

Die Anklägerin bezeichnete das inkriminierte Geschehen als „eine der vielen Beziehungstaten, bei der wieder einmal die Frau die Beziehung beenden will, der Mann das wieder einmal nicht akzeptiert und wieder einmal der Mann die Frau brutal hinrichtet“.

Mann bereits mehrfach verurteilt

Der nun Verurteilte ist im Landesgericht kein Unbekannter: 2010 hatte der Beschuldigte wegen schwerer Erpressung und Raubes zwei Jahre ausgefasst, davon acht Monate unbedingt. Danach wurde er nach Italien abgeschoben, wo er zunächst um Asyl angesucht hatte. Er kehrte allerdings nach Österreich zurück und wurde in weiterer Folge wegen Schlepperei zu einem Jahr Haft verurteilt, davon vier Monate unbedingt.

2017 suchte er in Österreich um Asyl an. Am 16. August 2017 erfolgte eine weitere Verurteilung, diesmal wegen schwerer Körperverletzung, Widerstands gegen die Staatsgewalt und schwerer Sachbeschädigung. Das Urteil lautete auf neun Monate unbedingt.

Widersprüchliche psychiatrische Gutachten

Nachdem das Wiener Oberlandesgericht (OLG) dieses Urteil bestätigt hatte, wurde dem Mann am 26. Jänner 2018 die Aufforderung zum Strafantritt zugestellt. Der 40-Jährige ersuchte um einen Haftaufschub wegen behaupteter Vollzugsuntauglichkeit, wobei sich das Vorbringen auf das Gutachten eines bekannten Facharztes für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie stützte, der sich für einen Haftaufschub von zumindest einem halben Jahr wegen einer „floriden psychiatrischen Erkrankung“ aussprach.

Die von der Justiz beigezogene psychiatrische Sachverständige Sigrun Rossmanith kam allerdings zum Schluss, dass die von ihrem Kollegen gestellten Diagnosen - eine mittel- bis schwergradige depressive Episode, eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine Angst- und Panikstörung -„aktuell nicht festzustellen“ seien, wie es in ihrer Expertise hieß.

Bluttat als „U-Boot“ verübt

Aus psychiatrischer Sicht lägen die medizinischen Voraussetzungen der Strafvollzugstauglichkeit vor, wobei sich Rossmanith aber dafür aussprach, den Mann in einer Vollzugsanstalt mit einer angeschlossenen Krankenanstalt unterzubringen, um diesem im Falle einer psychischen Krise rasche ärztliche Hilfe und eine bedarfsgerechte Medikation zukommen lassen zu können.

Das Landesgericht für Strafsachen wies aufgrund dieser Ausführungen am 11. Mai den Antrag auf Strafaufschub ab. Dagegen legte der Iraker Beschwerde ein. Diese schmetterte das OLG am 24. Juli ab. Rossmaniths Gutachten sei „schlüssig und nachvollziehbar begründet“, eine Vollzugsuntauglichkeit liege demnach nicht vor, heißt es in dem sechsseitigen OLG-Beschluss.

Am 31. Juli wurden dem Wahlverteidiger des Mannes sowie der Justizanstalt Wien-Simmering, wo der Iraker „einrücken“ hätte sollen, der OLG-Beschluss zugestellt. Für Philipp Wolm, den Rechtsvertreter des 40-Jährigen, war sein Mandant aber nicht mehr greifbar, dieser zog es offenbar vor unterzutauchen. Während dieser Zeit als „U-Boot“ kam es dann in der Leopoldstadt zu der Bluttat.

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