Strache-Rücktritt: Matiasek folgt interimistisch

Zumindest vorübergehend ist nach den Rücktritten von Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus die Nachfolge an der Spitze der Wiener FPÖ geklärt: Die stellvertretende Obfrau Veronika Matiasek wird die FPÖ interimistisch führen.

Das teilte Rathaus-Klubobmann Toni Mahdalik laut APA Samstagnachmittag mit. Weitere personelle Entscheidungen zur Nachfolge seien noch nicht getroffen. Ein Video hatte Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) zu Fall gebracht. Strache erklärte zu Mittag seinen Rücktritt von allen Funktionen - auch als Obmann der Wiener FPÖ. Auch der geschäftsführende Obmann Johann Gudenus trat zurück.

Johann Gudenus, Veronika Matiasek,Heinz Christian-Strache, David Lasar, Anton Mahdalik

APA/ROBERT JAEGER

FPÖ-Mandatare im Wiener Gemeinderat anno Oktober 2010: Gudenus, die damals nicht amtsführende FPÖ-Stadträdte Eduard Schock, Matiasek, Strache, der nicht amtsführenden Stadtrat David Lasar und Mahdalik

Kurz kündigt Neuwahl an

Deutsche Medien veröffentlichten am Freitag ein Enthüllungsvideo, auf dem Strache und Gudenus im Juli 2017 mit einer vermeintlichen russischen Investorin auf Ibiza unter anderem über Staatsaufträge für millionenschwere Spenden sprechen. Daraufhin überschlugen sich am Samstag die Ereignisse. Stundenlang wurde auf eine Stellungnahme von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gewartet. Kurz vor 20.00 Uhr kündigte er dann eine möglichst rasche vorgezogene Neuwahl an. „Ich musste vieles in Kauf nehmen“, so Kurz. Nach dem Video müsse er sagen: „Genug ist genug!“ „Was unser Land braucht“, seien Neuwahlen - mehr dazu in news.ORF.at.

Wie geht es in der Wiener FPÖ weiter?

Nach dem Rücktritt von Strache und Gudenus übernimmt Veronika Matiasek, jetzt die Wiener FPÖ interimistisch.

„Tiefstes Bedauern“ von Gudenus

Auch der bisherige geschäftsführende Klubobmann Gudenus trat Samstagnachmittag infolge der Videoaffäre von all seinen politischen Ämtern zurück. Das erklärte der langjährige enge Vertraute des zuvor zurückgetretenen Strache in einer Aussendung. „Hiermit gebe ich bekannt, dass ich meine Funktion als geschäftsführender Klubobmann sowie mein Nationalratsmandat zurücklegen werde. Ebenso trete ich hiermit von sämtlichen Funktionen in der Freiheitlichen Partei Österreichs zurück“, sagte Gudenus, der gemeinsam mit Strache in dem 2017 aufgenommenen Video zu sehen war.

Wiener Vizebürgermeister Johann Gudenus (FPÖ)

ORF

Gudenus ist gemeinsam mit Strache in dem Skandalvideo zu sehen

Er wolle sein „tiefstes Bedauern über die zwei Jahre zurückliegenden Vorkommnisse zum Ausdruck bringen“, erklärte Gudenus. „Zudem bedaure ich zutiefst, durch mein Verhalten das in mich gesetzte Vertrauen der Wähler, Funktionäre und Mitarbeiter enttäuscht zu haben.“

Anlässlich des Rücktritts von Strache und Gudenus versammelten sich Tausende Demonstrantinnen und Demonstranten auf dem Ballhausplatz. Als Strache seinen Rücktritt erklärte, brach Jubel aus - mehr dazu in Demonstranten bejubeln Strache-Rücktritt.

Immer wieder als Wiener Spitzenkandidat gehandelt

Gudenus kommt aus einer Politikerfamilie. Sein inzwischen verstorbener Vater John saß für die FPÖ im Bundes- und Nationalrat. Gudenus gilt als langjähriger Vertrauter von Strache. Zuletzt tauchte in Medien ein altes Passwort von ihm namens „seilseil“ auf. Auch Auftritte vor rechtsextremen Vereinigungen sind vom langjährigen Obmann des Rings freiheitlicher Jugend überliefert, der Mitglied der schlagenden Verbindung Vandalia ist.

Screenshot von einem Video von Vizekanzler Heinz-Christian Strache

Screenshot ORF/Spiegel/Süddeutsche

Das Skandalvideo mit Strache und Gudenus wurde am Freitag veröffentlicht

Ausländerfeindliche Aussagen kosteten Gudenus die Chance auf ein Ministeramt. Sein Spruch vom „Knüppel aus dem Sack“ für „Asylbetrüger“ bewog Bundespräsident Alexander Van der Bellen dazu, eine Angelobung von Gudenus auszuschließen. Immer wieder parteiintern überlegt wurde, Gudenus als Spitzenkandidat in die Wien-Wahl im kommenden Jahr zu schicken. Als Alternative galt, den populäreren Strache voranzuschicken.

Stellvertretende Landesparteiobfrau übernimmt

Die interimistische Nachfolgerin an der Wiener Parteispitze, Matiasek, ist stellvertretende Landesparteiobfrau und zweite Präsidentin des Wiener Landtags. Sie übernimmt die Parteiführung interimistisch. Anfang der Woche werden die Parteigremien tagen, kündigte Mahdalik weiters an: „Was dann in den Gremien entschieden wird, ist noch offen.“ Auf die Anfrage ob es schon personelle Entscheidungen bezüglich Nachfolge Straches und Gudenus gebe, antwortete er: „Nein.“

Reaktionen von Wiener Parteien

Ob es vorgezogene Wahlen in Wien geben soll, darauf will sich niemand festlegen.

Ludwig und Hebein fordern Rücktritt

Für Wiener SPÖ, Grüne und NEOS ist die Ibiza-Affäre vor allem auch ein Skandal der Wiener FPÖ. Die Wiener ÖVP wollte sich zur Regierungskrise im Bund bisher nicht äußern. Hier hieß es seitens eines Sprechers zur APA: „Kein Kommentar.“ Konkret wurde hingegen Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bereits vor der Rücktrittserklärung von Strache und Gudenus. Er forderte via Aussendung am Samstagvormittag, dass sowohl Strache als auch Gudenus „sofort ihre Funktionen zurücklegen müssen“. Strache zeige damit „das wahre Gesicht der FPÖ, die sich als ‚soziale Heimatpartei‘ tituliert, aber in Wahrheit als Partei der Großspender entpuppt“.

Die designierte Wiener Vizebürgermeisterin Birgit Hebein forderte Samstagnachmittag den Rücktritt der gesamten Regierung und Neuwahlen. „Es handelt sich um ein nationales und internationales Debakel. Dafür trägt Bundeskanzler Sebastian Kurz, der die FPÖ trotz aller Warnungen in die Regierung und somit an die Macht und in öffentliche Positionen gebracht hat, die Verantwortung“, kritisierte sie in einer Aussendung. „In Folge müssen die Lehren aus 500 Tagen Schwarz-Blau gezogen werden und sich die Einsicht durchsetzen: mit einer rechtsextremen Partei ist keine Regierung zu bilden“, so Hebein weiter.

NEOS Wien: „Moralischer und politischer Sündenfall“

Erschüttert über den „moralischen und politischen Sündenfall von HC Strache und Johann Gudenus“ zeigte sich NEOS Wien Klubobmann Christoph Wiederkehr: „Wir haben immer wieder die Russland-Connections der FPÖ kritisiert – aber dass zwei führende Politiker der Freiheitlichen österreichische Interessen an Oligarchen verscherbeln wollen, ist wohl einmalig in der Geschichte der Zweiten Republik. Das Epizentrum dieses Skandals ist eindeutig die FPÖ Wien, die sich durch ihre Protagonisten Strache und Gudenus selbst disqualifiziert hat.“

Wiederkehr fordert volle Aufklärung der Vorfälle, insbesondere was die Parteienfinanzierung anbelangt müsse hier der Sumpf endlich trocken gelegt werden.

Link: