Wiener Ärzte kritisieren Gratiszahnspange

Die Gratiszahnspange für Kinder und Jugendliche mit schweren Zahnfehlstellungen kommt am 1. Juli 2015. Schon da ist die Kritik daran. Die Wiener Zahnärztekammer lässt keine gutes Haar an der Vorgehensweise der Politik.

„Das Ganze ist natürlich ein völlig unkoordinierter und unüberlegter Hüftschuss, der über Nacht von Leuten, die nicht vom Fach sind, hinausposaunt wurde“, nimmt sich Claudius Ratschew von der Wiener Zahnärztekammer kein Blatt vor den Mund. Kein Wort sei mit den Zahnärzten gesprochen worden, das Vorgehen der Politik sei unprofessionell. Die Fakten: Gratisszahnspange für alle Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr, das Budget dafür macht 80 Millionen Euro aus.

Was auf den ersten Blick wie eine finanzielle Erleichterung für viele Familien aussieht, birgt aber auch zahlreiche Ungereimtheiten.

Zahnspange

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Nur bei sehr schweren Fehlstellungen gratis

Ratschew kritisiert, dass künftig nur Kinder mit erheblichen Zahnfehlstellungen, also Schweregrad vier und fünf, Gratisspangen bekommen sollen: „Das sind sehr schwere Fehlstellungen bis zu Kiefermissbildungen, die in relativ seltenen Fällen vorkommen. Die meisten Kinder haben den Schweregrad drei, der also nicht unter die Gratiszahnspange fallen soll.“

Das bedeute, so Ratschew weiter, es sei zu befürchten, (...) „dass doch ein Großteil jener Kinder, die sehr wohl eine Zahnspange bekommen und die sie sicherlich nicht aus Jux und Tollerei bekommen, in Zukunft auch nicht gratis bekommen werden“. Ratschew warnte Eltern davor, mit einer notwendige Zahnspange für ihre Kinder zu warten, weil sie sich eine Finanzierung durch den Staat erhoffen: „Dann kann unter Umständen der richtige Behandlungszeitraum versäumt werden.“ Außerdem sei noch völlig unklar, ob die budgetierten 80 Millionen Euro tatsächlich ausreichen.

Nur NEOS stimmte dagegen

Abgelehnt wurde die Maßnahme am Mittwoch nur von NEOS. Dessen Sozialsprecher Gerald Loacker fühlt sich angesichts der „Gratiswohltaten für alle“ in die 70er Jahre zurückversetzt. Nicht gerade begeistert reagierten auch die anderen Oppositionsparteien. Zugestimmt wurde trotzdem, sei doch die Vorlage immer noch besser als gar nichts, meinte FPÖ-Ärztesprecher Andreas Karlsböck.

„Zähneknirschend“ zugestimmt wurde der Vorlage auch von der grünen Gesundheitssprecherin Eva Mückstein. Seitens des Teams Stronach (TS) hatte Marcus Franz zwar an sich nichts gegen die Gratiszahnspange einzuwenden. Er sieht aber viel größere Probleme im Bereich der Kindergesundheit.

In der Koalition feierte man dagegen den Beschluss, von dem immerhin 85.000 Kinder profitieren könnten, wie Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) hervorhob. Ziel sei, dass man am Gebiss der Kinder nicht das Einkommen der Eltern erkennen dürfe. Auch ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger sprach von einem großen Schritt in die richtige Richtung bei der Zahnversorgung Jugendlicher.

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