„Die Mutzenbacher“: Tagung zu Skandalroman

Es ist der wohl berüchtigtste Text der österreichischen Literatur der Jahrhundertwende: „Josephine Mutzenbacher. Die Geschichte einer Wienerischen Dirne“. Das Wien Museum widmet dem Skandalroman nun eine Tagung.

1906 erschien „Josephine Mutzenbacher. Die Geschichte einer Wienerischen Dirne. Von ihr selbst erzählt“ - zunächst noch in sehr kleiner Auflage bei einem Erotikaverleger. Um der Zensur zu entgehen, nutzte man damals ein Abonnementprinzip, das die Bücher direkt an den Kunden bringt. Trotzdem brachte es der mit teils sehr expliziten erotischen Darstellungen gespickte Roman prompt zu einiger Berühmtheit.

Für das Wien Museum ist „Die Mutzenbacher“ als gleichermaßen verbotenes Buch wie großer Erotikbestseller, „der Generationen von zentraleuropäischen Männern unter der Schulbank ‚aufklärte‘“, ein „Kristallisationspunkt“ aller Diskurse über Sexualität in dieser Zeit. Und diese will man in der zweitägigen Tagung, die am Donnerstag beginnt, beleuchten.

Mutzenbacher

Wien Museum

Der Skandalroman wurde von Kurt Nachmann auch verfilmt

Autor weiterhin unbekannt

Wer genau hinter der vermeintlichen Autobiografie steht, ist weiterhin unklar. Oft lautet die Vermutung, dass es sich bei dem Autor um Felix Salten, der auch „Bambi“ geschrieben hat, handelt. Von Anfang an wurde die Fini, so nennt sich die Protagonistin selbst, jedenfalls „verfemt, verfilmt und doch auch verteidigt und für ihren obszön-humoristischen Sprachgestus geschätzt“, wie es beim Wien Museum heißt. So outete sich etwa Oswald Wiener, Teil der Wiener Gruppe, als Mutzenbacher-Fan.

Auch abgesehen von jener nach dem Verfasser, wirft das Buch jede Menge Fragen auf: Ist der Roman „jugendgefährdend“? Darf man ihn verbreiten und dafür auch noch Geld verlangen - oder sollte er gänzlich verboten werden? Unter anderem soll auch die Genderperspektive besprochen werden: Ist die Protagonistin Vorreiterin einer neuen ungezwungenen weiblichen Art, mit Sex umzugehen und darüber zu sprechen, oder zeigt der Roman Frauen als Ware und sollte gar als Kinderpornografie klassifiziert werden?

„Die Mutzenbacher“ als Straftat?

„Die Mutzenbacher“ wird dabei in Kontext gesetzt: So widmet sich beispielsweise der Kulturhistoriker Franz X. Eder von der Universität Wien dem sozialgeschichtlichen Entstehungsumfelds des Romans und spricht über Prostitution in Wien um 1900. Der Frage nach Straftatbestand - Fini ist in Szenen noch minderjährig - oder künstlerischer Freiheit widmet sich Rechtshistorikerin Ilse Reiter-Zatloukal, ebenfalls von der Uni Wien.

Die Tagung - der Eintritt ist frei, um Anmeldung wird gebeten - passt auch zur derzeit im Wien Museum zu sehenden Ausstellung „Sex in Wien“. Dass Sex meistens zieht, zeigt sich auch hier: Die Schau ist die bisher am besten besuchte Ausstellung des Museums - mehr dazu in „Sex“-Schau auf Rekordkurs.

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