Wenn das Publikum bestimmt, was gespielt wird

Ein ungewöhnliches Format gibt es heuer bei den Wiener Musiktheatertagen: Das Audience Orchestra lässt das Publikum bestimmen, was gespielt wird. Außerdem auf dem Programm: eine Smartphone-Oper und eine über das Altern.

Als „öffentliches Orchester“ basiert das „Audience Orchestra“ des Ensemble U: aus Estland auf dem Prinzip der Basisdemokratie. Per Handy, Laptop oder Tablet hat jeder eine Stimme und damit Einfluss darauf, was auf der Bühne passiert. Die Mehrheit entscheidet also, was beispielsweise die Klarinette spielt. Zuschauer können aber auch selbst als Instrument in das Geschehen eingreifen. Die erzielten „Klangergebnisse“ gibt es nicht nur zu hören, sondern werden per Infografik auf der Bühne auch sichtbar gemacht.

Wollen „Hierarchien in der Musik“ auflösen

„Die meiste typische westliche Musik ist mit einer Vielzahl an Hierarchien verbunden. Es gibt den Komponisten, den Dirigenten und die Musiker - jeder soll irgendjemandem gehorchen. Auch das Publikum muss seine historisch gewachsene Rolle erfüllen: sitzen, still sein und im richtigen Moment klatschen. Wir versuchen herauszufinden, was passiert, wenn man diese Hierarchien auflöst“, erklärte Johannes Tarmo vom Audience Orchestra im wien.ORF.at-Interview.

Damit soll auch der Frage nachgegangen werden: Sind die Zuhörer mit ihrem basisdemokratischen Konzert zufrieden? In Holland, Sizilien, Brasilien und New York hat das Projekt schon Station gemacht, jetzt sei man neugierig auf das Wiener Publikum. Viel „Spaß und Spannung“ habe es bis jetzt aber noch jedes Mal gegeben, so Tarmo.

Smartphone-Oper geht in zweite Runde

Schon 2016 gab es bei den Musiktheatertagen die erste „Smartoper“. Heuer geht das Projekt mit einem „Update“ in die zweite Runde. Beschrieben wird die 45-minütige Performance als „eine Art Oper ausschließlich für Publikum“. Wer ein aktuelles Smartphone hat, kann auch hier aktiv teilnehmen - mehr dazu in Mit Smartphone bei „Art Oper“ mitwirken.

Eine andere Opern-Uraufführung steht ebenfalls am Programm: Beim Musiktheater „Tanzcafé Schweigepflicht“ schlüpfen junge Menschen in die Rolle von Senioren. Basierend auf dem Buch der Alternswissenschafterin Sonja Schiff „10 Dinge, die ich von alten Menschen über das Leben lernte“ setzt sich das Werk von Regisseur Thomas Desi mit dem Alter und der Altenpflege auseinander.

Audience Orchestra

mttw

Per Smartphone kann in einigen Produktionen auch selbst aktiv werden

Soviel Eintritt, wie man möchte

Seit dem vergangenen Jahr arbeiten die Musiktheatertage mit dem „Pay as you wish“-Konzept, man kann also so viel für die Vorstellungen zahlen, wie man möchte. „Das hat tatsächlich ganz gut funktioniert. Ohne genaue Preise war es graduell pro Kopf ein bisschen besser. Wir halten die Zuschauer für mündig zu sagen, was ihnen das wert ist“, so Georg Stecker, Künstlerischer Leiter der Musiktheatertage.

Der einzige Fehler, den man laut Stecker gemacht hat: Die Leute nach der Vorstellung zahlen zu lassen. „Jetzt wissen wir, dass das nach einer 90-minütigen Vorstellung in einem heißen Theater nicht so die gute Idee ist. Die gehen dann atmen, rauchen, trinken.“ Jetzt wird wieder klassisch an der Abendkasse kassiert, allerdings eben ohne festgesetzte Preise. Es ist die inzwischen dritte Auflage der Musiktheatertage, insgesamt gibt es sechs Produktionen mit 14 Vorstellungen. Der Spielort ist das Werk X in Meidling.

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