Lehrlinge: Betriebe kritisieren Bildungsniveau

Wiener Betriebe klagen erneut über ein schlechtes Bildungsniveau bei Lehrlingen. Das geht aus einer Umfrage der Wirtschaftskammer unter 1.500 Unternehmen hervor. Lehrlinge mit Migrationsgrund schneiden jedoch sehr gut ab.

Der Bedarf an Lehrlingen wird in Wien in drei bis fünf Jahren um rund ein Zehntel steigen. Gleichzeitig konnten die Betriebe 2016 rund 600 Lehrstellen gar nicht besetzen. Denn das Bildungsniveau der Schulabgänger sei nicht ausreichend, wird beklagt.

Fast zwei Drittel der Unternehmen meinen in der Wirtschaftskammer-Umfrage, das Niveau der Stellenbewerber sei in den vergangenen Jahren schlechter geworden, sagte Edith Jaksch vom Institut Jaksch & Partner, das mit der Umfrage beauftragt worden war. Dabei geht es um Basiskenntnisse wie Lesen, Rechnen und Schreiben sowie Englisch.

„Situation verfestigt sich“

Schon vor zwei und vier Jahren war die Bewertung ähnlich schlecht. „Die Situation verfestigt sich“, gab Ehrlich-Adam zu bedenken. Allerdings: „Lehrlinge mit Migrationsgrund machen sich sehr gut“, so Jaksch. 92 Prozent der Betriebe würden hier über sehr positive Erfahrungen berichten.

Die Zahlen stammen aus der alle zwei Jahre unter Wiener Unternehmen durchgeführte „Bildungsbedarfsanalyse“. Diesmal wurden gut 1.500 Betriebe, die insgesamt etwa 100.000 Mitarbeiter beschäftigen, befragt, welche Art von Fachkräften sie benötigen, welche Fähigkeiten sie sich von Bewerbern wünschen und wo Handlungsbedarf besteht.

Kammer für „Bildungspflicht“

„Je höher die Bildung, desto besser die Jobaussichten. In der Pflichtschule gibt es aber großen Nachholbedarf“, sagte Stefan Ehrlich-Adam, Industrie-Spartenobmann in der Wiener Wirtschaftskammer bei der Präsentation am Freitag.

Was also tun, um das Bildungslevel von Pflichtschulabsolventen zu heben? Die Kammer wünscht sich eine „Bildungspflicht“. Soll heißen: Am Ende der achten Schulstufe darf man die Schule nur dann verlassen, wenn gewisse Bildungsziele - etwa in Deutsch, Mathematik oder Englisch - erfüllt werden. Außerdem müsse das Modell Polytechnikum überdacht werden. Denn die Betriebe sind unzufrieden mit dessen jetziger Form und können sich etwa Alternativen wie ein weiteres Schuljahr oder ein Berufseinführungsjahr vorstellen.

Absolventen von HAKs, HTLs und FHs gefragt

Was die Berufschancen anbelangt, melden die Wiener Betriebe vor allem Nachfrage nach HAK-, HTL- und Fachhochschulabsolventen an. Gewünscht werden allerdings bessere Englischkenntnisse. Uni-Absolventen - vor allem mit Masterstudium - werden ebenfalls vermehrt gesucht. Besonders gefragt seien hier die Fachrichtungen Ingenieurswissenschaften und Informatik, im Bereich Wirtschaftswissenschaften und bei Geistes- und Sozialwissenschaften herrsche indes ein „Überangebot“, hieß es.