Fotograf Erich Lessing gestorben

Der „Jahrhundertfotograf“ Erich Lessing ist im Alter von 95 Jahren gestorben. Das hat die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) bekannt gegeben. Er fotografierte Leopold Figl und die Alliierten bei der Unterzeichnung des Staatsvertrags.

„Um ein gutes Foto zu machen, braucht man zwei Augen“, umriss Lessing einst selbst seine Kunst: „Und Augen sind entweder begabt zum Sehen oder nicht.“ Die Augen des österreichischen Fotografen gehörten in der Nachkriegszeit zu den begabtesten der Welt, mit seinem Fotoapparat hat er Weltgeschichte festgehalten.

Mit Lessing verliere die Welt nicht nur einen herausragenden und vielseitigen Künstler, sondern auch einen außergewöhnlichen Menschen, einen Zeitzeugen und scharfen Beobachter, teilte die IKG mit. Lessing wurde 1923 als Sohn eines Zahnarztes und einer Konzertpianistin in Wien geboren. Während seine Familie den Nazi-Verbrechern nicht entkommen konnte, gelang es dem erst 16-jährigen Erich, nach Palästina zu fliehen.

Fotograf Erich Lessing  eröffnet eigene Fotogalerie

APA/Herbert Neubauer

In Wien mit eigener Galerie

In Haifa studierte er am Technion Radiotechnik und ging im Kibbuz verschiedensten Tätigkeiten nach, bevor er sein Hobby Fotografie wiederentdeckte und zu seinem Beruf machte. Ein Beruf, der ihn wiederum zur britischen Armee führte. 1947 kehrte Lessing nach Österreich zurück und arbeitete als Fotojournalist für die Associated Press. 1951 wurde er Mitglied von Magnum. In Wien lernte er auch seine erste Frau, die „Time“-Journalistin Traudl Lessing, kennen. Aus ihrer Ehe stammen drei Kinder.

Figl auf dem Balkon des Belvedere

Die bekanntesten Arbeiten Lessings sind jene, die sich mit den bedeutenden politischen und sozialen Ereignissen der Nachkriegszeit auseinandersetzen. Bei der Aufnahme seines berühmtesten Bildes, das Leopold Figl und die Alliierten bei der Unterzeichnung des Staatsvertrages auf dem Balkon des Belvedere zeigt, stellte Lessing sein legendäres Gespür unter Beweis. Er war der einzige der Fotografen, der sich vor dem Balkon positionierte.

Österreichs Außenminister Leopold Figl zeigt der begeisterten Menschenmenge den österreichischen Staatsvertrag, 1955

Erich Lessing/bildrecht.at

Lessings wohl berühmtestes Foto

Lessings Bandbreite politischer Aufnahmen erstreckte sich von einem Europa nach dem Zweiten Weltkrieg über politische Konferenzen und den Ungarn-Aufstand 1956 bis zu Charles de Gaulles Reise nach Algerien 1958. Er porträtierte die wichtigsten Persönlichkeiten der Zeit wie Dwight D. Eisenhower, Konrad Adenauer, Nikita Chruschtschow, Herbert von Karajan und Oskar Kokoschka. Sein Werk dieser Jahrzehnte inkludiert aber auch beeindruckende Reportagen der Dreharbeiten zu „Sound of Music“ und anderen großen Filmen.

WestLicht Ungarn 1956

Erich Lessing

Ungarn, 1956

Weit gefächertes Werk und 40 Bücher

Den Interessen und Sujets des Ausnahmekünstlers Erich Lessing waren aber keine Grenzen gesetzt. Sein Werk umfasst zahllose Arbeiten, die sich mit Kunst, historischen Themen und Archäologie befassen. In Wien zu sehen war das etwa 2016, als mit Lessings detaillierten Farbaufnahmen der Sixtinischen Kapelle in der Votivkirche das Gotteshaus nachgebildet wurde.

Michelangelo Ausstellung Votivkirche

Erich Lessing/Expotainment

Lessings Fotos der Sixtinischen Kapelle in der Votivkirche

Über 60 Bücher und Ausstellungen veröffentlichte Lessing in verschiedenen Verlagen und zu einer Bandbreite an Themen. Gewürdigt wurde seine Arbeit mit zahlreichen internationalen und nationalen Ehrungen. Lessing betrieb von Wien aus sein eigenes Archiv und die eigene Agentur, erst 2012 kam mit Eröffnung seiner Galerie in Wien ein eigener Raum zur Ausstellung seiner Arbeiten hinzu.

Erich Lessing ist tot

Der „Jahrhundertfotograf“ Erich Lessing ist tot. Der gebürtige Wiener starb im Alter von 95 Jahren.

Lessing wurde mit formellen Ehren überhäuft. Er erhielt den American Art Director’s Award, den französischen Prix Nadar und den Dr.-Karl-Renner-Preis. 1998 wurde Lessing mit dem Großen Österreichischen Staatspreis für Künstlerische Fotografie ausgezeichnet, 2013 mit dem Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst. Und seit Lessing 1973 den Berufstitel Professor erhielt, unterrichtete er an Orten wie der Biennale Venedig, Arles und bei der Salzburger Sommerakademie.

Hannah Lessing mit ihrem Vater Erich, 2001

Privat

Lessing mit seiner Tochter Hanna

In memoriam Erich Lessing

Aus Anlass des Todes von Erich Lessing ändert der ORF sein Programm. ORF2 zeigt am Freitag, den 31. August, um 23.20 Uhr „Erich Lessing: Der Photograph im Rückspiegel“ - mehr dazu in tv.ORF.at. ORF III wiederholt die Dokumentation am Sonntag, den 2. September, um 22.45 Uhr und zeigt im Anschluss (ab 23.40 Uhr) ein Interview mit dem Fotografen, das anlässlich des Jubiläumsjahres 2015 von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz geführt wurde.

Ö1 wiederholt am 30. August in der Sendereihe „Im Gespräch“ eine Sendung aus dem Dezember 2006 mit Erich Lessing - mehr dazu in „Im Gespräch“ (oe1.ORF.at). FM4 wiederholt eine Folge „Doppelzimmer“ aus dem Jahr 2011 mit einem langen Doppelinterview gemeinsam mit seiner Tochter Hanna - mehr dazu in Zum Tod von Erich Lessing: Doppelzimmer (fm4.ORF.at; 2011).

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