Deutschklassen oft nicht separat

Seit Herbst müssen Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen Deutschförderklassen besuchen. Tatsächlich werden oft gar keine separaten Klassen eingerichtet. Die Umsetzung erfolgt in vier Varianten.

Schulpraktikerinnen berichteten anlässlich einer Veranstaltung am Donnerstag in Wien von äußerst ungünstigen Bedingungen und kreativen Umsetzungen in der Praxis. Separate Deutschförderklassen sind nach Einschätzung der Wiener Volksschuldirektorin Gabriele Lener in Ballungszentren nur an einem geringen Teil der Schulen eingerichtet worden.

Jene Standorte, an denen nachweislich kein Platz dafür ist, dürfen die Sprachförderung auch im Abteilungsunterricht anbieten. Die Schülerinnen und Schüler bekommen die Deutschförderung dann nur stundenweise bei einer Förderlehrerin außerhalb der Klasse, die übrige Zeit sitzen sie beim Deutschlernen in ihrer Stammklasse.

Vorschulklassen gesperrt und umgewandelt

In anderen Schulen seien die Vorschulklassen in Deutschförderklassen umgewandelt worden - mit der Folge, dass es für jene Kinder, die zwar als nicht schulreif gelten, aber kein Problem mit der Unterrichtssprache haben, kein eigenes Förderangebot mehr gibt.

Deutschförderklasse Schule

APA/HANS KLAUS TECHT

Schülerinnen und Schüler einer Deutschförderklasse in Wien

Wieder andere Schulen haben die Einrichtung von Deutschförderklassen laut Lener umgangen, indem sie einfach keine außerordentlichen Schülerinnen und Schüler gemeldet haben. Dadurch konnten die Kinder zwar im Klassenverband bleiben. „Das Ungünstige daran ist aber, dass sie dann keinen Anspruch auf Sprachförderung haben“, so Lener.

Regelung für Deutschklassen

In Deutschförderklassen wird 15 bis 20 Wochenstunden nach eigenem Lehrplan Deutsch unterrichtet. In Zeichnen, Musik und Turnen findet der Unterricht gemeinsam mit der Regelklasse statt. An Standorten mit weniger als acht außerordentlichen Schülern werden die Kinder in den regulären Klassen unterrichtet.

Einstufungstest kommt

Im aktuellen Schuljahr mussten alle außerordentlichen Schüler eine Deutschförderklasse besuchen. Wenn nächstes Schuljahr ein Einstufungstest des Ministeriums vorliegt, gilt das nur noch für jene, die die Unterrichtssprache „ungenügend“ beherrschen. Wer „mangelhaft“ Deutsch spricht, kann dann in der Regelklasse Sprachförderung erhalten.

Möglichkeiten, die Separation schulautonom zu umgehen, dürfte es aber weiter geben. Nach Gesprächen mit anderen Schulleitern kann sich Lener vorstellen, dass die Testergebnisse notfalls entsprechend angepasst werden.

Gruppen zu groß, Lehrende ohne Zusatzqualifikation

Auch Esra Akbaba, die in Meidling an einer Volksschule eine Deutschförderklasse unterrichtet, ist nach dem ersten Semester mehr als skeptisch: Zwar sei es grundsätzlich positiv, dass die Kinder nun 15 statt früher elf Stunden Sprachförderung erhalten. Allerdings würden an ihrer Schule in den Deutschförderklassen zwölf bis 19 Kindern mit höchst unterschiedlichem Wissensstand sitzen. Effektive Sprachförderung sei in einer so großen Gruppe nicht machbar, weil die Kinder nicht individuell betreut werden können und nicht zum Sprechen kommen. „Die für die Kinder gewinnbringendste Lösung wäre in meinen Augen eine permanente Doppelbesetzung in allen Klassen“, so Akbaba.

Noch dazu hätten viele Lehrerinnen und Lehrer in den Sprachförderklassen keine entsprechende Zusatzqualifikation. Fortbildung sei wegen der schnellen Einführung nicht möglich gewesen. Ständige Testungen, Sprachstandserhebungen und Screenings würden zudem viel Zeit kosten, berichtete Akbaba aus der Praxis. Auch der extreme Planungs- und Koordinationsaufwand für die Lehrerinnen und Lehrer stehe in keinem Verhältnis zum Ergebnis.

Einbindung in Regelklasse nur auf dem Papier

Als Kollateralschaden mussten Schulen außerdem Bibliotheken, Werkräume und Werkstätten schließen, um Platz für die Deutschförderklassen zu machen, beklagte Akbaba. Die Einbindung der Kinder in die Regelklasse funktioniert aus ihrer Sicht bei nur sieben gemeinsamen Unterrichtsstunden in der Woche außerdem nur auf dem Papier.

Deutschförderklasse Schule

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Kinder der Deutschklassen werden laut Lehrerin zu wenig individuell gefördert

In der Praxis beobachte sie „soziale Ausgrenzung“: „Kinder der Deutschförderklasse werden sogar verspottet von ihren Mitschülerinnen und Mitschülern, weil sie eine andere Klasse besuchen müssen, um dort ‚Deutsch zu lernen‘“, sagte Akbaba. Dazu laste zusätzlicher Druck auf den Kindern, weil durch die Einführung der Deutschförderklasse die Wahrscheinlichkeit deutlich gestiegen sei, dass man ein Schuljahr wegen Problemen in der Unterrichtssprache wiederholen muss.

„Gut gemeint, aber sehr schwer umsetzbar“

„Gut gemeint, aber sehr schwer umsetzbar“ findet Martina Dedic, Direktorin der Neuen Mittelschule (NMS) Pfeilgasse, die Deutschförderklassen. Die Ausweitung der Deutschförderung von elf auf 20 Stunden habe aber auf jeden Fall etwas gebracht. Im bisherigen System hätten manche auch nach zwei Jahren als außerordentlicher Schülerinnen und Schüler die Unterrichtssprache nicht gut beherrscht. Die Bedingungen seien allerdings „ein Wahnsinn“.

In der NMS Pfeilgasse etwa sitzen jeden Tag 19 Kinder und Jugendliche von 9.00 bis 13.00 Uhr gemeinsam im früheren Biologiekammerl, um Deutsch zu lernen. Die Zehn- bis 15-Jährigen, die als Quereinsteiger ins österreichische Schulsystem gekommen sind, hätten dabei völlig unterschiedliches Lerntempo, teils könnten sie noch nicht lesen und schreiben und müssten an zwei Tagen die Woche woanders alphabetisiert werden.

„Man müsste zwei Lehrer in die Klasse stellen“

Unterrichtet werden all die unterschiedlichen Kinder im Deutschkurs von nur einer Lehrerin. Angesichts dieser Bedingungen, so Dedic im APA-Gespräch, werden wohl vier von fünf den MIKA-Sprachtest des Ministeriums nicht schaffen und das Jahr wiederholen müssen. „Man müsste zwei Lehrer in die Klasse stellen.“

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