Brigitte Bierlein wird Kanzlerin

Ihre zwei größten Karrieresprünge in der Justiz hat Brigitte Bierlein unter ÖVP-FPÖ-Regierungen gemacht, kurz vor ihrem 70. Geburtstag wurde die gebürtige Wienerin heute zur interimistischen Bundeskanzlerin ernannt.

„Die Verfassung ist der Grundstein unserer Demokratie“, so Van der Bellen. Darin sei festgehalten, dass der Bundespräsident einen Bundeskanzler auszusuchen habe und das passiere heute, stellte er Brigitte Bierlein als neue Bundeskanzlerin vor.

Brigitte Bierlein wird Übergangskanzlerin

In ihrer ersten Rede erklärt Bierlein, dass er Aufbau von Vertrauen zentrales Ziel in ihrer Amtszeit sein wird.

Zuvor hatte sich Van der Bellen mit den Parlamentsparteien auf diese Personalie verständigt. Bierlein erhält jetzt den Auftrag zur Regierungsbildung. Das heißt, die übrigen Mitglieder des Übergangskabinetts stehen noch nicht fest. Bierleins Regierung wird die Geschäfte bis zur Bildung einer neuen Regierung nach der Nationalratswahl im Herbst führen. Van Der Bellen dankte Bierlein, dass sie sich „in dieser besonderen Situation“ zum Kanzleramt bereit erklärt hatte.

Van der Bellen präsentiert Übergangskanzlerin

Bundespräsident Alexander Van der Bellen präsentiert VfGH-Präsidentin Brigitte Bierlein als Übergangskanzlerin.

Bierlein will „Vertrauen rechtfertigen“

„Ich bin selten um Worte verlegen. Ich muss gestehen, dass war für mich zu diesem Zeitpunkt doch anders“, meinte Bierlein. Nach einer Bedenkzeit habe sie sich entschieden, „diese so verantwortungsvolle Aufgabe zu übernehmen“. Sie dankte Van der Bellen „für den Vertrauensvorschuss“: „Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um diesen Vorschuss zu rechtfertigen.“ Das wichtigste Ziel sei derzeit, „zur Beruhigung und zum gegenseitigen Vertrauensaufbau“ beizutragen.

Porträt Brigitte Bierlein

Die 1949 in Wien geborene Juristin blickt auf eine steile Karriere zurück. Sie war die erste Frau an der Spitze des Verfassungsgerichtshof.

Zu ihrer Regierung möchte sie „ein Kabinett vorschlagen, das die fachliche Expertise mitbringt, um die Geschäfte im Sinne der Menschen dieses Landes zu führen.“ Alexander Schallenberg, Sektionsleiter im Bundeskanzleramt, soll Außenminister werden. Clemens Jabloner, früherer Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, habe sich bereit erklärt, Vizekanzler und Justizminister zu werden - mehr dazu in Clemens Jabloner neuer Justizminister. Die übrigen Ministernamen dürfte es spätestens am Montag geben. Es solle sich um „erfahrene Beamte mit ausgezeichnetem Expertenwissen“ handeln, betonte Van der Bellen.

Am 23. Februar 2018 wurde Brigitte Bierlein von Bundespräsident Van der Bellen als Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) angelobt. Den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu festigen, sei auch künftig die Aufgabe des VfGH, betonte Van der Bellen damals und er zeigte sich erfreut, dass mit Bierlein erstmals eine Frau den Vorsitz innehabe - „eine Pionierin sozusagen“. Nun wird Bierlein als erste Bundeskanzlerin Österreichs erneut eine „Pionierin“ sein.

Richterin mit 26 Jahren

Bierlein wurde am 25. Juni 1949 als Tochter eines Beamten in Wien geboren, eigentlich wollte sie Kunst oder Architektur studieren. Die Mutter (die selbst eine Kunst-Ausbildung hatte) riet ihr ab, Bierlein entschied sich für Jus, ab diesem Moment ging es geradeaus nach oben: In nur vier Jahren absolvierte sie das Studium, mit 26 legte sie die Richteramtsprüfung ab, mit 28 wurde sie zur Staatsanwältin ernannt, mit 41 Generalanwältin, 2003 Vizepräsidentin am VfGH und am 1. Jänner 2018 dessen interimistische Leiterin.

2003 erachtete sie ihre juristische Karriere als gekrönt. Damals gestand sie einen „gewissen gesunden Ehrgeiz“ ein, der gepaart mit „viel Spaß an der Arbeit“, wohl auch nötig war, um sich als Frau in der früher stark männlich dominierten Welt der Juristen durchzusetzen. In dieser Welt war die stets elegant-modische gekleidete Juristin schon als Standesvertreterin nicht nur mit ihren fachlichen Qualifikation, sondern auch mit resolut-selbstbewusstem Auftreten und schnörkellos-geraden Ansagen aufgefallen.

Der Wienerin wurden vor ihrer Bestellung zur VfGH-Präsidentin gute Kontakte nicht nur zur ÖVP, sondern auch zur FPÖ nachgesagt. 2003 hatte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) Bierlein noch kurz vor der Wahl namens der VP-FP-Regierung dem Bundespräsidenten als VfGH-Vizepräsidentin vorgeschlagen - unter scharfer Kritik der SPÖ, deren gf. Klubobmann Josef Cap damals beklagte, dass „höchst qualifizierte Bewerber“ zugunsten einer Bewerberin übergangen worden seien, „die als stramme Konservative“ gelte und keine Verfassungsrechts-Erfahrung habe.

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