Islamistenprozess: Zehn Schuldsprüche

Im Islamistenprozess sind nun die Urteile gesprochen worden. Neun mutmaßliche Islamisten und ihr Chauffeur wurden im Sinn der Anklage für schuldig befunden. Für den Haupttäter bedeutet das drei Jahre Haft. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

Wie der Vorsitzende Richter in seiner ausführlichen Urteilsbegründung darlegte, hatte der Schöffensenat keinen Zweifel, dass sich sämtliche zehn Angeklagte wenn schon nicht am bewaffneten Kampf, so zumindest an Unterstützungshandlungen zugunsten des Islamischen Staats (IS) beteiligen wollten. Damit sei der Tatbestand der kriminellen Vereinigung erfüllt.

Aussagen der Angeklagten „komplett unschlüssig“

„Auch das Hinfahren und Unterstützen der terroristischen Vereinigung kann reichen“, stellte er fest. Die Angeklagten hätten den IS „wissentlich in der Gruppenmoral und in der Bereitschaft bestärkt, weitere terroristische Straftaten zu begehen“.

Der Vorsitzende bescheinigte dem 34-jährigen Chauffeur, den acht Tschetschenen im Alter zwischen 18 und 28 Jahren sowie der 19-jährigen Frau, die mit einem von ihnen nach islamischem Recht verheiratet ist, sie hätten „geradezu die Absicht“ gehabt, „terroristische Ziele zu fördern“. Die Behauptung von vier Angeklagten, sie hätten nicht Syrien als Reiseziel im Auge gehabt, sondern Urlaub in Bulgarien, Italien oder Griechenland machen wollen, nannte der Richter „komplett unschlüssig“.

Drei Jahre unbedingt für Chauffeur

Der türkische Chauffeur, der laut Anklage die Islamisten nach Syrien schleusen hätte sollen, wurde verurteilt. Da der Senat davon ausging, dass sich der 34-Jährige schon vorher als Fahrer für kampfbereite Islamisten betätigt hatte, wurde er zu drei Jahren unbedingter Haft verurteilt.

Alle Angeklagten erhielten Freiheitsstrafen, die mit Ausnahme eines zum Tatzeitpunkt erst 17-Jährigen ausschließlich unbedingt ausgesprochen wurden und sich zwischen 19 Monaten und drei Jahren bewegten. Der Jüngste kam mit einem Jahr bedingt davon. Ihm wurde die Weisung erteilt, sich einer Psychotherapie zu unterziehen und seine Berufsausbildung fortzusetzen. Zudem wurde Bewährungshilfe angeordnet.

2014 festgenommen

Beim Versuch, in zwei Gruppen das Bundesgebiet zu verlassen, um über die Türkei nach Syrien zu gelangen, waren sie am 18. August 2014 festgenommen worden. Seither saßen - mit Ausnahme eines zum Tatzeitpunkt erst 17-Jährigen - die acht Männer und eine Frau, in U-Haft.

Zum Prozessauftakt bestritten die Angeklagten ihre Sympathien für den IS - mehr dazu in Dschihadistenprozess: IS-Sympathien bestritten. Einige Angeklagte sprachen davon, dass sie auf Urlaub fahren wollten, und stritten ab, dass Syrien ihr Reiseziel war - mehr dazu in Islamistenprozess: Angeklagter wollte „zum Meer“. Als „Ort der Begegnung“ kristallisierte sich in dem Prozess die Altun-Alem-Moschee in der Leopoldstadt heraus. Dort sollen sich die Angeklagten kennengelernt und möglicherweise auch radikalisiert haben, zumindest wenn es nach der Anklage geht - mehr dazu in Prozess: Über Wiener Moschee nach Syrien.

Polizisten im Landesgericht

APA/Fohringer

Der Prozess findet unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen statt

Staatsanwältin für „entsprechend strenge Strafe“

Bereits am Montag wurde das Beweisverfahren des für fünf Tage anberaumten Prozesses abgeschlossen. Es gebe keinen Zweifel, dass sich sämtliche Angeklagte am IS beteiligen wollten, betonte die Staatsanwältin in ihrem Schlussplädoyer. Kein Einziger hatte sich dazu geständig gezeigt, weshalb eine tat- und schuldangemessene Bestrafung zu erfolgen habe.

Bei einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren trat die Staatsanwältin aus generalpräventiven Erwägungen für eine „entsprechend strenge Strafe“ ein, wobei das bei einzelnen Angeklagten getrübte Vorleben sowie der Umstand zu berücksichtigen sei, „dass alle vor der Ausreise festgenommen und damit von weiteren strafbaren Handlungen abgehalten wurden“. Einige Angeklagte hätten allerdings mehrere vergebliche Versuche unternommen, zum IS zu gelangen, was in diesen Fällen erschwerend ins Gewicht falle.

Verteidiger: „Bloße Absicht ist nicht strafbar“

Die Verteidiger bezweifelten demgegenüber das Vorliegen eines strafbaren Verhaltens. Die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation setze die Einbindung in ebendiese voraus, gab Wolfgang Blaschitz zu bedenken, der zwei Männer vertrat, die bis zuletzt angegeben hatten, sie hätten in Bulgarien bzw. in der Türkei Urlaub am Meer machen und nie nach Syrien gelangen wollen. „Sie wären vorher ausgestiegen“, betonte Blaschitz.

Es sei „ja nicht so abwegig, dass man sich im August auf Urlaub begeben will“. Abgesehen davon sei keinerlei Kontaktaufnahme mit dem IS erfolgt: „Die bloße Absicht, sich zu beteiligen, ist aber nicht strafbar.“ Dasselbe gelte für die religiöse Orientierung. Selbst wenn es sich um Islamisten handeln sollte, sei ihnen das im Hinblick auf die in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verankerte Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht vorwerfbar.