Kein ambulanter Alkoholentzug mehr

Am Anton Proksch Institut (API) wird bereits seit April keine ambulante Alkohol-Entzugsbehandlung mehr durchgeführt. Das bedeutet das „Aus“ für eine frühzeitige Therapie von jährlich rund 2.000 Patienten. Das Institut kritisierte nun die „finanziellen Bedingungen“.

„Wir haben den ambulanten Alkoholentzug immer querfinanziert. Das können wir jetzt nicht mehr. Wir machen die Weiterbehandlung von Patienten nach einem stationären Aufenthalt und Erstgespräche. Aber ambulanten Entzug können wir unter diesen finanziellen Bedingungen nicht mehr durchführen“, sagte der Ärztliche Direktor des API, Michael Musalek. Seit April dieses Jahres werde deshalb keine ambulante Alkohol-Entzugsbehandlung mehr durchgeführt, die das Institut in seiner „Außenstelle“ geboten hatte.

Arzt: „Weiß nicht, wohin mit Patienten“

Neben dem bisherigen Angebot für einen ambulanten Alkoholentzug im API-Ambulatorium gibt es in Wien derzeit kein vergleichbares, es bleibt also nur eine stationäre Aufnahme.

„Ich habe da einige Patienten, die alkoholkrank sind und in die Ambulanz gehen wollten. Aber ambulant gibt es keinen Entzug mehr. Ich weiß nicht, wohin ich die schicken sollte“, machte ein Wiener Kassen-Allgemeinmediziner vor einigen Wochen auf die Sache aufmerksam.

Bisher pro Jahr rund 2.000 Patienten in Behandlung

API-Verwaltungsdirektorin und Geschäftsführerin der API-GesmbH, Gabriele Gottwald-Nathaniel: „Es ist relativ einfach. Es ist so, dass wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer wieder Leistungen angeboten haben, die wir nicht abgegolten bekommen haben. Das war immer eine Art Querfinanzierung, leider ist das nicht mehr möglich.“

Der zahlenmäßige Hintergrund, so Gottwald-Nathaniel: „Im Jahr 2011 haben wir insgesamt 2.032 Patienten stationär betreut, hinzu kamen rund 10.050, die ambulant versorgt wurden. Mehr als 3.000 davon waren Kontakte am Ambulatorium Wien-Wieden, von denen wieder zwei Drittel der Patienten einen ambulanten Entzug machten.“

Was das API dafür erhielt: Für ein Quartal und Patient jeweils den Gegenwert eines Krankenscheins der Wiener Gebietskrankenkasse von 32,87 Euro. Gottwald-Nathaniel: „Ein ambulanter Entzug bedeutet in etwa drei Wochen eine intensive Betreuung, bei welcher der Patient viermal pro Woche in die Ambulanz kommt.“ Das ließe sich einfach nicht mit 32,87 Euro abgelten.

WGKK verweist auf bestehende Verträge

Bei der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) sieht man das laut Ursula Griesser, Chefin der Abteilung für Vertragspartnerverrechnung, anders: „Es gibt laufende Verträge, die der Hauptverband der Sozialversicherungsträger für die Krankenkassen mit dem Anton Proksch Institut abgeschlossen hat - einen für stationäre Leistungen und einen Vertrag für den ambulanten Bereich. Wir zahlen im ambulanten Bereich den geltenden Tarif (Fallpauschale, Anm.) von 32,87 Euro. Darüber hinaus zahlen wir jede Psychotherapiestunde in Einzel- und Gruppentherapien.“

Vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger wird diese Darstellung vollinhaltlich bestätigt. Josef Probst, stellvertretender Generaldirektor: „Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger hat mit dem Anton Proksch Institut einen Rahmenvertrag aus dem Jahr 2010.“ Es ginge um die medizinische Hilfe, psychologische und psychotherapeutische Leistungen. Der Vertrag beziehe sich auch auf die Vorbetreuung vor einer stationären Aufnahme und die Fortsetzung nach der stationären Versorgung. Außerdem sei eine vertragskonforme Tarifanpassung (2012) inkludiert. Die sei auch erfolgt.

„Das Problem ist allen Verantwortlichen bekannt“

Die Crux liegt offenbar im Detail der Vereinbarung über die Honorierung der ambulanten Leistungen des API. „Die aufrechten Verträge werden vertragskonform eingehalten.“, so Gottwald-Nathaniel.

Es gehe im Falle der ambulanten Leistungen allerdings um die Höhe der verrechenbaren Sätze. Ambulant beträgt die Fallpauschale eben 32,87 Euro. Wenn also ein Patient im Rahmen eines ambulanten Alkoholentzugs mehrmals ärztliche bzw. fachärztliche Leistungen in Anspruch nimmt oder psychosoziale Beratung und Betreuung sowie psychologische Betreuung, dann können diese Leistungen nicht verrechnet werden, sondern pro Quartal nur die Fallpauschale.

„Das Problem ist allen Verantwortlichen bekannt. Wir haben alle in Wien informiert", sagte Musalek. 340.000 Österreicher sind alkoholkrank. Das wären rund 68.000 Wiener. Ein Viertel der erwachsenen Österreicher konsumiert Alkohol ständig in gesundheitsgefährdendem Ausmaß“, so der Psychiater weiter. Zudem kommen Jugendliche immer früher mit Alkohol in Berührung - mehr dazu in Junge greifen immer früher zu Alkohol.

Wie bei allen Suchtkrankheiten sollte immer möglichst schnell der Wunsch des Betroffenen nach einer Therapie auch umgesetzt werden. Sonst besteht das Risiko, dass die Patienten wieder „verschwinden“ - und erst bei der nächsten und womöglich noch schlimmeren Krise wieder auftauchen.

Szekeres: Trifft primär die Ärmeren

Wiens Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres: „Es trifft die arme Bevölkerung, die sich Medizin privat nicht zukaufen kann. (...) Die Folgekosten betragen ein Vielfaches.“ Szekeres und ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger verwiesen auf die geplante Gesundheitsreform, von der gerade eine Verbesserung der ambulanten Versorgung zu fordern sei.

Die Wiener ÖVP-Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec forderte „ambulant vor stationär“ und Aktivitäten von Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ). Der SPÖ-Gemeinderat Kurt Wagner kritisierte Korosec und verwies auf die Sozialversicherung, die für die API-Finanzierung zuständig sei.

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