Missbrauch in Haft wird zu Politthema

Nachdem es in der Jugendabteilung der Justizanstalt Josefstadt erneut zu einem schweren sexuellen Übergriff gekommen ist, will nun die Volksanwaltschaft die Vollzugsbedingungen prüfen. Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) räumte ein, es seien „keine paradiesischen Zustände“.

Volksanwältin Gertrude Brinek (ÖVP), die für den Strafvollzug zuständig ist, will sich dem Fall „mit der nötigen Effizienz“ widmen, wie sie am Mittwoch sagte. „Wir werden sorgfältig prüfen“ kündigte Brinek am Rande der Angelobung der neuen Volksanwälte in der Hofburg durch Bundespräsident Heinz Fischer an.

Zudem wolle man sich in der kommenden Periode auch der Justizanstalten Mittersteig, Floridsdorf und Simmering in Wien widmen. Der Fokus werde aber aufgrund des jüngst bekanntgewordenen Falles auch auf die Einrichtung in der Josefstadt gerichtet sein.

Auch SPÖ und FPÖ thematisieren Jugendstrafvollzug

„Natürlich ist es die Zielsetzung, dass wir solche Dinge in Zukunft a priori ausschließen“, reagierte auch SPÖ-Volksanwalt Günther Kräuter, der mit 1. Juli den Vorsitz im Team übernimmt, die angeblichen Vorfälle, welche die Volksanwaltschaft „sehr betroffen“ gemacht hätten. Es gehe dabei auch um die vorherrschenden Bedingungen im Strafvollzug. Sein Kollege Peter Fichtenbauer (FPÖ) bestätigte ebenfalls, dass die Justizanstalt Wien-Josefstadt Thema sein werde.

Karl: „Strafvollzug nicht mit Paradies vergleichbar“

„Jeder Fall ist ein Fall zu viel. Der Strafvollzug ist nicht mit einem Paradies zu vergleichen, wir haben dort keine paradiesischen Zustände“, sagte Karl gegenüber Ö1. „Wir tun alles, um solche Fälle zu verhindern. Wir arbeiten gerade an einem Projekt, bei dem Jugendliche anstatt U-Haft eine Fußfessel bekommen. Mit dieser Fußfessel sollen sie einzeln in Jugendorganisationen untergebracht werden. Da sind wir gerade in abschließenden Gesprächen mit Jugendorganisationen“, sagte die Justizministerin weiters.

In den vergangenen Jahren hätten sich die Häftlingszahlen in dieser Altersgruppe „zum Glück“ deutlich reduziert, sagte Karl. Während etwa 2003 noch 100 Jugendliche in der Josefstadt angehalten wurden, befinden sich dort derzeit 20 Teenager in Haft.

Neues Gefängnis „im Großraum Wien“ geplant

Zudem möchte Karl „im Großraum Wien“ ein Gefängnis für 600 bis 700 Insassen bauen lassen, das die an ihren Kapazitätsgrenzen angelangte Justizanstalt Josefstadt entlasten soll, wie Karl im Gespräch mit der APA ankündigte.

Einen Zeitpunkt, wann dieses in Betrieb gehen soll, konnte die Justizministerin aber nicht nennen. Es gibt auch noch keinen konkreten Standort. Jedenfalls soll diese Justizanstalt nach den Vorstellungen der Ministerin „in Pavillonbauweise“ errichtet werden und auch eine Jugendabteilung aufweisen, wo die Insassen nicht mehr - wie etwa in der JA Josefstadt üblich - in Mehrpersonenzellen gesperrt werden: „Zielsetzung wären Hafträume mit Zweierbelegung.“

Grüne begrüßen Karl-Vorstoß zum Teil

SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim kritisierte die Schließung des Jugendgerichtshofes. Er forderte „eine spezialisierte Jugendgerichtsbarkeit. Diese sollte in speziell qualifizierten Gerichten wie dem ehemaligen Wiener Jugendgerichtshof geschehen.“ Weiters forderte er, dass generell „bei den Staatsanwaltschaften eigene organisatorische Abteilungsgruppen für Jugendrichter beziehungsweise Jugendstaatsanwälte geschaffen werden sollen“.

Der Justizsprecher der Grünen, Albert Steinhauser, lehnte den Vorschlag eines neuen Gefängnisses ab. „Neue Gefängnisse sind keine Lösung. Autobahnen ziehen bekanntlich Verkehr an, neue Gefängnisse müssen mit Häftlingen gefüllt werden. Dabei hat Österreich ohnedies eine hohe Häftlingsquote und eine der höchsten Untersuchungshaftraten“, so Steinhauser. Den Vorschlag Karls, Jugendliche anstelle von Untersuchungshaft mit elektronischem Hausarrest in Jugendeinrichtungen unterzubringen, sah Steinhauser hingegen als richtigen Ansatz.

Steinhauser forderte jedenfalls „eine umfassende Aufklärung über die Situation im Jugendstrafvollzug in der Josefstadt“ und kündigte eine parlamentarische Anfrage an Karl an.

„Neustart“ fordert Alternative zur Haft

Der unter anderem auf Resozialisierungshilfe für straffällig gewordene Jugendliche spezialisierte Verein Neustart fordert eine umgehende Alternative zur U-Haft für unter 18-Jährige. Jugendliche Straftäter sollten nur mehr im elektronischen Hausarrest angehalten werden. „Eine Verbesserung der U-Haft für Jugendliche ist nicht realistisch. Es braucht Alternativ-Modelle, die möglichst noch vor den Wahlen im Herbst geschaffen werden sollten“, betonte Neustart-Sprecher Andreas Zembaty.

Zembaty zeigte sich vom aktuellen Fall „sehr betroffen.“ Es sei „unerträglich, wenn wir Jugendlichen die Freiheit entziehen und gleichzeitig nicht für ihre Sicherheit garantieren können.“ Speziell Jugendlichen falle es schwer, mit den Haftbedingungen klar zu kommen: „In einer U-Haft-Zelle sind sie nie allein, aber stark vereinzelt. Und das auf engstem Raum. Das Einzige, was sie mit den anderen verbindet, ist ein Klima der Angst.“

Die Unsicherheit, ob die Freundin und die Familie weiter zu einem halten, der drohende Jobverlust, der ungewisse Ausgang des Strafverfahrens - all das mache den Betroffenen zu schaffen und führe schließlich in den Hafträumen zur Eskalation, erklärte Zembaty.

Scharfe Kritik an Jugendstrafvollzug

Der Jugendstrafvollzug in Österreich sei „Folter“, sagte Jugendrichterin Beate Matschnig. Die Jugendrichterin beklagte, dass Jugendliche sehr früh zum Nachtdienst eingesperrt werden und „in den Zellen ein unglaublicher Druck entsteht“, so komme es zu „Demütigungsritualen an den Schwächsten“. Anlass war die Vergewaltigung eines 14-Jährigen in der Justizanstalt Wien-Josefstadt, wie die Wochenzeitung „Falter“ berichtete - mehr dazu in Jugendlicher in Haft misshandelt.

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