Rolltreppen fahren maximales Tempo

Die Wiener Linien betreiben ihre Rolltreppen mit einer Maximalgeschwindigkeit von 0,65 Metern pro Sekunde. Sie sind damit schneller als andere Unternehmen unterwegs. Damit haben die Wiener Linien zwar eine bessere Förderleistung, aber auch einen Unfall pro Tag.

„Wir dürften laut europäischer Fahrtreppennorm bei entsprechender Neigung auch mit bis zu 0,75 Metern pro Sekunde fahren. Da sind unsere Anlagen aber nicht darauf ausgelegt“, sagte Wiener-Linien-Sprecher Daniel Amann. Das Unternehmen betreibt derzeit 346 Rolltreppen, im Schnitt fahren pro Stunde 7.000 Personen mit einer Rolltreppe - mehr dazu in Experte: „Öffis“ erreichen Kapazitätsgrenzen (wien.ORF.at; 3.3.2016).

Rolltreppe

Wiener Linien/Johannes Zinner

„Öffi“-Rolltreppen fahren mit 2,34 km/h, Kaufhausrolltreppen mit 1,8 km/h

Tempo ist besonders im U-Bahn-Bereich wichtig. „Bis zu 1.000 Fahrgäste pro Zug - und das alle zwei bis drei Minuten: Da ist es natürlich wichtig, rasch wieder Platz zu schaffen für den nächsten Zug.“ Dafür nimmt man auch ein gewisses Risiko in Kauf. „Wir haben rund einen Vorfall pro Tag. Aber die meisten gehen recht glimpflich aus, mit kleinen Abschürfungen“, so Amann. „Die meisten Vorfälle passieren aus Unachtsamkeit.“

„Eine Gratwanderung“

Vor allem bei älteren Leuten steige das Unfallrisiko mit der Rolltreppengeschwindigkeit, sagte Thomas Maldet, Geschäftsfeldleiter im Bereich Infrastruktur und Transport des TÜV Austria. „Ich kenne in Österreich keine Rolltreppen, die schneller als jene der Wiener Linien sind. In der Praxis ist die Frage: Was braucht man, und welche Bauart hat man? Es ist eine Gratwanderung.“

Eine gewöhnliche Rolltreppe in einem Einkaufszentrum fährt beispielsweise mit 0,5 Metern pro Sekunde. Auch die ÖBB betreiben ihre 95 Rolltreppen in Wien mit einer Geschwindigkeit zwischen 0,5 und 0,65 Metern pro Sekunde. Noch schneller als die Rolltreppe selbst - um bis zu fünf Prozent - bewegt sich der dazugehörige Handlauf. „Wenn man sich anhält, beugt man sich automatisch nach vor. Das ist sinnvoll, denn sonst würde man eher dazu neigen, nach hinten zu stürzen“, so Maldet.

Wiener Rolltreppen sind die schnellsten

Das Maximaltempo ist laut Wiener Linien notwendig, um die tausenden Fahrgästen in der U-Bahn rasch abtransportieren zu können.

Treppe zu hoch, um zu gehen

Werden Rolltreppen für längere Zeit nicht genutzt, schalten sie sich meist automatisch in den „Sparmodus“. Dabei fährt die Treppe ein Tempo von 0,15 Metern pro Sekunde. Erst wenn wieder jemand die Rolltreppe betritt, fährt das System wieder auf Maximalgeschwindigkeit hoch. In der betriebslosen Zeit werden die Rolltreppen abgedreht und werden zu gewöhnlichen Stiegen.

„Die Stufenhöhe ist im Verhältnis zur Neigung aber sehr hoch“, so Maldet. Sie beträgt zwischen 22 und 30 Zentimetern. „Wenn man nicht wirklich fit ist, sollte man auf der Rolltreppe nicht gehen. Andererseits ist es nicht verboten.“ Auch die historische Regel rechts stehen, links gehen habe Sinn, „damit man sich nicht durchschlängeln muss“. Eine Stufe hält übrigens mindestens 200 Kilogramm aus.

Techniker rund um die Uhr im Einsatz

Der TÜV muss nach jedem Zwischenfall die Rolltreppe überprüfen. „Wir haben deswegen einen Bereitschaftsdienst. Auch am Wochenende muss ein Techniker innerhalb von drei Stunden bei jeder Rolltreppe in Wien sein und die Überprüfung durchführen“, so Maldet weiter. Bezahlt wird dieser Aufwand von den Wiener Linien. Die Unfallursache wird überprüft, um für etwaige Klagen gerüstet zu sein.

Rolltreppenparty

APA / Georg Hochmuth

Die „Wiedereröffnung“ einer Rolltreppe vergangenen Dezember in Wien

Gesetzlich vorgeschrieben ist, dass jede Rolltreppe einmal pro Jahr geprüft wird, alle drei Jahre folgt eine große Wartung, bei der sie komplett auseinandergebaut und gereinigt wird. Dieser Vorgang dauert rund eine Woche, die Reparatur von größeren Störungen manchmal einige Monate - mehr dazu in „Berühmte Rolltreppe“ wieder gesperrt.

Alle Rolltreppen der Wiener Linien sind an ein Kontrollsystem angeschlossen, das Störungen erkennt. Die meisten werden durch Fremdkörper wie Steine und Streusplit hervorgerufen. Diese verkeilen sich zwischen Stufen und Kamm. Besonders betroffen sind Rolltreppen, die an die Oberfläche führen und teilweise der Witterung ausgesetzt sind.

Kampagnen gegen Rolltreppenunfälle

Nicht geeignet sind Rolltreppen für sehbehinderte Menschen. Auch für Rollstühle, Fahrräder, große Koffer bzw. allgemein sperrige Gegenstände empfehlen die Wiener Linien den Lift. Um Jugendliche von Spaßaktionen abzuhalten, die oft tragisch enden können, sind die Wiener Linien auch in Schulen unterwegs, um Präventionsarbeit zu leisen.

Auch mit großen Kampagnen wird versucht, die richtige Benützung von Rolltreppen zu vermitteln. Für Maldet sind diese Maßnahmen sinnvoll: „Ich habe selbst einmal beim Südtiroler Platz erlebt, wie jemand mit dem Kinderwagen die Rolltreppe hochgefahren ist. Als das Kind aus dem Kinderwagen gestürzt ist, meinte der Vater noch, er möchte die Kinderwagenfirma verklagen.“

Florian Kobler, wien.ORF.at

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