Ärztekammer mit „Hilferuf“ und Drohung

Eine Umfrage der Ärztekammer unter Spitalsärzten zeichnet ein schlechtes Bild der Arbeitsbedingungen: zu lange Dienste und zu wenig Zeit für Patienten. Die Ärztekammer droht mit Kampfmaßnahmen und fordert einen Krisengipfel.

Die Ärztekammer macht schon seit längerem auf die aus ihrer Sicht belastenden Arbeitsbedingungen der Spitalsärzte aufmerksam. Um zu erfahren, wie die Ärzteschaft die aktuelle Situation einschätzt, wurde eine Umfrage bei Pitters Trendexpert in Auftrag gegeben. Dafür wurden im April 1.612 Mediziner telefonisch und online befragt.

Mit einem schlechten Ergebnis habe man gerechnet, sagte der Vizepräsident der Kammer und Obmann der Kurie der angestellten Ärzte, Wolfgang Weismüller, am Dienstag bei der Präsentation, die den Titel „Hilferuf der Ärzteschaft in Wiens Spitälern“ trug - aber: „In dieser Ausprägung haben wir es nicht erwartet.“

Ärztekammer droht mit Kampfmaßnahmen

Der Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, Wolfgang Weismüller, kritisiert zu lange Dienste bei Spitalsärzten und zu wenig Zeit für Patienten.

Keine Entlastung durch KH Nord

Besonders verärgert zeigte sich Weismüller über die Tatsache, dass laut Umfrage fast zwei Drittel der Mediziner ihre Nachtdienste nicht zeitgerecht beenden können: „Da hört sich der Spaß auf.“ Fast alle derjenigen, die länger nach Nachtdiensten bleiben müssen (98 Prozent), tun dies einmal pro Monat oder öfter, 57 Prozent mindestens einmal pro Woche.

Großteils fallen dabei zwischen einer Stunde und drei Stunden mehr Zeitaufwand an. Die Hauptgründe dafür sind Dienstübergaben (62 Prozent) - wobei diese eigentlich schon in die Dienstzeit miteinberechnet sind -, administrative Tätigkeiten (50 Prozent) sowie die Patientenversorgung (40 Prozent). „Es ist schlicht und einfach verboten, länger zu bleiben“, kritisierte Weismüller.

Ebenfalls große Sorgen bereitet dem Standesvertreter, dass es viel zu wenig Personal gebe und die Ärzte immer mehr Arbeit in kürzerer Zeit erledigen müssten. 86 Prozent der Befragten beklagten sich darüber. „Die Kollegen sagen, sie arbeiten am Limit“, so Weismüller. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis Fehler passieren: „Das ist ein echtes Alarmsignal.“ Auch das neue Krankenhaus Nord - es heißt künftig „Klinik Floridsdorf“ - würde keine Entlastung bringen, da es dort viel zu wenig Personal gebe.

Keine Zeit für Jungmedizinerausbildung

Für Weismüller „erschreckend“ waren auch die Antworten, die seine Kollegen auf die Fragen in Sachen Ausbildung gaben. Zwei Drittel der ausbildenden Ärzte gaben an, eigentlich keine Zeit für die Ausbildung der Jungmediziner zu haben. Und auch umgekehrt gaben 70 Prozent der Jungen an, innerhalb der vorgesehenen Arbeitszeit neben den Routinetätigkeiten keine Zeit für die Ausbildung zu haben.

Die Hauptgründe dafür sind, dass sie Patientenversorgung eingesetzt sind (43 Prozent) oder bürokratische Aufgaben erledigen müssen (51 Prozent). Überhaupt: Mehr als zwei Drittel der Nachwuchsmediziner müssen mehrmals pro Woche Tätigkeiten durchführen, die nicht ihrem Ausbildungsstatus entsprechen. Interessant ist auch, dass nur knapp die Hälfte der Befragten (47 Prozent) von einem Ausbildungskonzept am Arbeitsplatz weiß.

Zentrale Notaufnahmen sollen umgesetzt werden

Für die Ärztekammer ist es nun Zeit zu handeln, da die Situation mittlerweile „untragbar“ sei. In diesem Zusammenhang wiederholte Weismüller seine mittlerweile „mantraartige“ Forderungen nach 300 zusätzlichen Spitalsärzten, nach höhere Grundgehälter um im Vergleich mit dem niedergelassenen Bereich konkurrenzfähig zu bleiben und nach einer Infrastrukturmilliarde für die Gemeindespitäler.

Zusätzlich mahnte er die ehestmögliche Umsetzung der Zentralen Notaufnahmen ein. Denn dort, wo es die bereits gebe, funktioniere die Erstversorgung relativ gut, so Weismüller. Zentrale Notaufnahmen gibt es im AKH, im Krankenhaus Hietzing (Klinik Hietzing), im Wilhelminenspital (Klinik Ottakring) und seit Dienstag in der Rudolfstiftung (Klinik Landstraße) - mehr dazu in Zentrale Notaufnahme in Rudolfstiftung eröffnet.

Krisengipfel geplant

Da die Kammer-Forderungen schon länger am Tisch sind, aber die Kammer keine Bewegung seitens der Politik ortet, soll nun ein Krisengipfel mit Vertretern aus der Politik und der Krankenhausträger einberufen werden. In diesem Zusammenhang gebe es bereits einen Termin mit Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ), wo dies besprochen werden solle, so Weismüller.

Die Ärztekammer hoffe nach wie vor, die Situation gemeinsam mit der Politik und den Spitalsträgern zu meistern. Aber: „Bevor wir zusehen, dass das Gesundheitssystem komplett den Bach runtergeht“, könnte es auch zu Kampfmaßnahmen kommen, warnte Weismüller.

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